Jüdisches Zentrum: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:1599px-Blick auf den St.-Jakobs-Platz und die Hauptsynagoge in München.jpg|thumb|St. Jakobs Platz: Links die Ohel Jakob Synagoge, in der Mitte das jüdische Museum, rechts das jüdische Gemeindezentrum ]]
Am 9. November [[2006]] wurde das neue '''Jüdische Zentrum''' in [[München]] am [[St.-Jakobs-Platz]] mit der neuen Hauptsynagoge ''[[Ohel Jakob]]'', dem Gemeindehaus und dem [[Jüdisches Museum|Jüdischen Museum]] feierlich eröffnet. Zuvor war das jüdische Zentrum behelfsweise in der [[Reichenbachstraße]] 27 untergebracht.  
Am 9. November [[2006]] wurde das neue '''Jüdische Zentrum''' in [[München]] am [[St.-Jakobs-Platz]] mit der neuen Hauptsynagoge ''[[Ohel Jakob]]'', dem Gemeindehaus und dem [[Jüdisches Museum|Jüdischen Museum]] feierlich eröffnet. Zuvor war das jüdische Zentrum behelfsweise in der [[Reichenbachstraße]] 27 untergebracht.  


Das neue Baugelände, welches zuvor jahrelang ein brachliegendes Überbleibsel der Zerstörungen des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] war, wurde [[1999]] von der Stadt München als Bauplatz für das jüdische Zentrum angeboten und akzeptiert. Am 24. Juni [[2004]] wurde der erste Spatenstich vollzogen und zum 9. November erfolgte dort die Grundsteinlegung. Die Fertigstellung ist im Frühjahr [[2007]] erfolgt. Der Entwurf stammt von dem Saarbrücker Architekturbüro Wandel, Hoefer, Lorch.
Das neue Baugelände, welches zuvor jahrelang ein brachliegendes Überbleibsel der Zerstörungen des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] war, wurde [[1999]] der Gemeinde von der Stadt München als Bauplatz für ein jüdisches Zentrum angeboten und von ihr akzeptiert. Am 24. Juni [[2004]] wurde der erste Spatenstich vollzogen und zum 9. November erfolgte dort die Grundsteinlegung. Die Fertigstellung ist im Frühjahr [[2007]] erfolgt. Der Entwurf stammt von dem Saarbrücker Architekturbüro ''Wandel, Hoefer, Lorch''.


== Lage==
== Lage==
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Dieser beeindruckende, nach Plänen von [[Albert Schmidt]] im Stil der [[Neoromanik]] konzipierte Langbau wurde am 16. September 1887 feierlich mit zahlreichen offiziellen Gästen eingeweiht. In unmittelbarer Nähe zur [[Frauenkirche]] im Zentrum Münchens gelegen, galt die neue Hauptsynagoge bis zu ihrer Zerstörung als einer der schönsten Synagogenbauten Europas und war gleichzeitig drittgrößte Synagoge Deutschlands. Eine Zeit voller Integration schien angebrochen zu sein.
Dieser beeindruckende, nach Plänen von [[Albert Schmidt]] im Stil der [[Neoromanik]] konzipierte Langbau wurde am 16. September 1887 feierlich mit zahlreichen offiziellen Gästen eingeweiht. In unmittelbarer Nähe zur [[Frauenkirche]] im Zentrum Münchens gelegen, galt die neue Hauptsynagoge bis zu ihrer Zerstörung als einer der schönsten Synagogenbauten Europas und war gleichzeitig drittgrößte Synagoge Deutschlands. Eine Zeit voller Integration schien angebrochen zu sein.


Nach 1900: Aufgrund dortiger zahlreicher Pogrome setzte etwa zeitgleich eine starke Zuwanderungsbewegung aus dem östlichen Europa ein. Die Zahl der jüdischen Bevölkerung Münchens stieg nach der Jahrhundertwende deutlich an. Im Jahr 1910 gehörten von etwa 590.000 Einwohnern der Stadt 11.083 dem jüdischen Glauben an – also knapp zwei Prozent der Gesamtbevölkerung.  
Nach 1900: Aufgrund dortiger zahlreicher Pogrome setzte etwa zeitgleich eine starke Zuwanderungsbewegung aus dem östlichen Europa ein. Die Zahl der jüdischen Bevölkerung Münchens stieg nach der Jahrhundertwende deutlich an. Im Jahr 1910 gehörten von etwa 590.000 Einwohnern der Stadt 11.083 dem jüdischen Glauben an – also knapp zwei Prozent der Gesamtbevölkerung.
 
 
[[Sigmund Fraenkel]] (1860-1925) war Vorsitzender des Münchner orthodoxen Synagogenvereins.


=== 1930 – 1945, Repression, Vertreibung, Morde ===
=== 1930 – 1945, Repression, Vertreibung, Morde ===
Doch bereits in den 1920er Jahren begann das Leben für Juden schwieriger zu werden. Die Spannungen nahmen zu, es kam zu rücksichtslosen Ausweisungen polnischstämmiger Juden. Die Trupps der so genannten Sturmabteilung (SA) der [[NSDAP]] organisierten Übergriffe gegen jüdische Geschäfte und Personen.  
Doch bereits in den 1920er Jahren begann das Leben für Juden schwieriger zu werden. Die Spannungen nahmen zu, es kam zu rücksichtslosen Ausweisungen polnischstämmiger Juden. Die Trupps der so genannten Sturmabteilung (SA) der {{WL2|NSDAP}} organisierten Übergriffe gegen jüdische Geschäfte und Personen.  


31. Januar 1933: Mit [[Adolf Hitler|Hitlers]] Kanzlerschaft begannen massive, staatlich angeordnete Repressionen und Beraubungen der beruflichen Existenz, die später in den Nürnberger Rassegesetzen mündeten und der Vernichtung der Juden Europas in den Köpfen vieler Bürger den Weg bereiteten.
31. Januar 1933: Mit [[Adolf Hitler|Hitlers]] Kanzlerschaft begannen massive, staatlich angeordnete Repressionen und Beraubungen der beruflichen Existenz, die später in den Nürnberger Rassegesetzen mündeten und der Vernichtung der Juden Europas in den Köpfen vieler Bürger den Weg bereiteten.
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== Landesverband der Kultusgemeinden ==  
== Landesverband der Kultusgemeinden ==  
Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern
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:[[Effnerstraße]] 68
| Name          =  Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern
:81925 München
| Straße        =  [[Effnerstraße]] 68
:Telefon: 089 '''98 94 42'''
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:E-Mail: info (at) IKGL.de
| Stadt          =  München
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| WWW            = 
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==Vielfalt des jüdischen Lebens in München==
==Vielfalt des jüdischen Lebens in München==
Wer würde vom Leben der Katholiken in München sprechen oder schreiben? Dann schon eher von der Minderheit, die es einige Jahrhunderte lang in der Stadt gab: den Lutheranern, den Reformierten oder als Oberbegriffe den Evangelischen oder Protestanten. Aber seltsam klingt es in heutiger Zeit irgendwie doch. Dagegen klingt "Jüdisches Leben in München" als Themenbeschreibung für Aufsätze über die Besonderheiten von Lebensbedingungen Angehöriger dieser [[Religionsgemeinschaft]]en schon fast alltäglich. Es vermeidet jedenfalls den Anklang an die Verfolgungsgeschichte zwischen 1933 und 1945.  
Wer würde vom Leben der [[Erzbistum_München_und_Freising|Katholiken]] in München sprechen oder schreiben? Dann schon eher von der Minderheit, die es einige Jahrhunderte lang in der Stadt gab: den Lutheranern, den Reformierten oder als Oberbegriffe den [[Evangelische Kirche|Evangelischen oder Protestanten]]. Aber seltsam klingt es in heutiger Zeit irgendwie doch. Dagegen klingt "Jüdisches Leben in München" als Themenbeschreibung für Aufsätze über die Besonderheiten von Lebensbedingungen Angehöriger dieser [[Religionsgemeinschaft]]en schon fast alltäglich. Es vermeidet jedenfalls den Anklang an die Verfolgungsgeschichte zwischen 1933 und 1945.  


"Die" Juden in München gab es nicht. Die Lebenssituationen waren so unterschiedlich wie bei den Katholiken, den Bayern vom Lande in der Großstadt oder ähnliche Vergleiche. Aber für diese Menshen gab es noch aus dem Mittelalter heraus entwickelte besondere gesetzliche Regelungen zum Beispiel über Steuern, Niederlassungsrechte und Schulbesuch.  
"Die" Juden in München gab es nicht — eigentlich zu keinem Zeitpunkt ind den letzten Jahrhunderten. Die Lebenssituationen waren so unterschiedlich wie bei den Katholiken, den Bayern vom Lande in der Großstadt oder ähnliche Vergleiche. Aber für diese Menshen gab es noch aus dem Mittelalter heraus entwickelte besondere gesetzliche Regelungen zum Beispiel über Steuern, Niederlassungsrechte und Schulbesuch.  


Auf einen ausführlichen Artikel bei Wikipedia kann hierzu verwiesen werden: '''{{WP2|Geschichte der Juden in München}}'''
Auf einen ausführlichen Artikel bei Wikipedia kann hierzu verwiesen werden: '''{{WP2|Geschichte der Juden in München}}'''
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::: 1945 bis heute
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*''Siehe dazu auch:''
**[[Charlotte Knobloch]], Präsidentin der Münchner Gemeinde
** [[Philipp Auerbach]]
** [[Leo Baerwald]] (1883-1970), Rabbiner
** Jan Mühlstein
**  Jakob Reich (1885-1961), der Zionist, der sich vor allem gegen die Ausweisungsaktionen der bayerischen Regierung und Polizei in den frühen 20er Jahren wehrte.<!--Jakob Reich: Zusammen mit dem Arzt Felix Aaron Theilhaber gründete er 1913 Das jüdische Echo und November 1918 den Gesamtausschuß der Ostjuden -->
** Abraham Uhlfelder (1748 - 1813), Gemeindevorsteher
Bücher:
Bücher:
* [[Richard Bauer]] und Michael Brenner (Hrsg.): ''Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.''  C.H. Beck Verlag, München, 2006, 288 Seiten. ISBN 978-3-406-54979-3 (Das von Bauer und Brenner herausgegebene Buch ist die erste umfassende Darstellung zu diesem Thema.)
* [[Richard Bauer]] und Michael Brenner (Hrsg.): ''Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.''  C.H. Beck Verlag, München, 2006, 288 Seiten. ISBN 978-3-406-54979-3 (Das von Bauer und Brenner herausgegebene Buch ist die erste umfassende Darstellung zu diesem Thema.)
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* Birgit Rätsch: ''Angekommen im Herzen der Stadt. Die jüdische Gemeinde in München.''
* Birgit Rätsch: ''Angekommen im Herzen der Stadt. Die jüdische Gemeinde in München.''


==Literatur (Auswahl)==
== Siehe auch==
* siehe oben bereits unter: ''Jüdisches Leben in München''
* [[Philipp Auerbach]]
* [[Leo Baerwald]] (1883-1970), Rabbiner
* [[Charlotte Knobloch]], Präsidentin der Münchner Gemeinde
* [[Jüdisches Leben in München]]
* [[Kriminalstatistik-antisemitische_Gewaltdelikte|Antisemitismus]] (soweit er in der Münchner Kriminalstatistik aufscheint)
* [[Israelitische Krankenhaus]]
 
<!-- gibt kein Siehe auch:
** Jan Mühlstein
**  Jakob Reich (1885-1961), der Zionist, der sich vor allem gegen die Ausweisungsaktionen der bayerischen Regierung und Polizei in den frühen 20er Jahren wehrte.<!--Jakob Reich: Zusammen mit dem Arzt Felix Aaron Theilhaber gründete er 1913 Das jüdische Echo und November 1918 den Gesamtausschuß der Ostjuden
** Abraham Uhlfelder (1748 - 1813), Gemeindevorsteher
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== Literatur ==
*Beate Meyer: ''Tödliche Gratwanderung. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zwischen Hoffnung, Zwang, Selbstbehauptung und Verstrickung (1939-1945).'' In der Reihe: Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden (für die Stiftung Institut für die Geschichte der deutschen Juden Hrsg. Stefanie Schüler-Springorum und Andreas Brämer); Bd. 38, 2011. 464 S., ISBN 978-3-8353-0933-3
* Avraham Barkai: ''Wehr Dich! Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.) 1893-1938,'' München, 2002.
* Otto Dov Kulka: ''The Reichsvereinigung and the Fate of the German Jews, 1938/1939-1943. Continuity or Discontinuity in German-Jewish History in the Third Reich'', in: Arnold Paucker (Hg.): ''Die Juden im nationalsozialistischen Deutschland.'' Tübingen, 1986, S. 353-363; ders.: ''Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus,'' Bd. 1: Dokumente zur Geschichte der Reichsvertretung der deutschen Juden 1933-1939, Tübingen, 1997.
* Esriel Hildesheimer: ''Jüdische Selbstverwaltung unter dem NS-Regime.'' Tübingen, 1994.
* Andrea Sinn: ''"Und ich lebe wieder an der Isar". Exil und Rückkehr des Münchner Juden Hans Lamm (Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern 1), München, 2008.
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* Beate Meyer: ''Tödliche Gratwanderung. ...
:bis 1941 bildete die Emigrationshilfe den Schwerpunkt der Arbeit der Reichsvereinigung. Mit dem Auswanderungsverbot vom 23. Oktober 1941 begann dann die erzwungene Mithilfe bei den Deportationen "in den Osten": Judensterne waren auszuteilen, Deportationslisten zusammenzustellen, Sammellager einzurichten oder zu deportierende Menschen aus ihren Wohng. abzuholen.
**bzw. Beate Meyer: ''A Fatal Balancing Act: The Dilemma of the Reich Association of Jews in Germany, 1939-1945.'' Berghahn Books, 2013, 454 Seiten. ISBN 978-1-78533-214-2 engl.
 
dazu zwei sehr positive Rez:
 
faz w. pyta (Fo. Lu) 30.8.2012
::Pyta attestiert Meyer Verhältnismäßigkeit im Urteil, sensible Quellenauswertung, die die Persönlichkeiten des "Reichsverbandes" hervortreten lässt, und einen fruchtbaren kulturhistorischen Ansatz, der auch die Zwischentöne einer höchst prekären Position verständlich macht.
 
und
 
Sibylle Quack: Rezension zu: Meyer, Beate: Tödliche Gratwanderung. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zwischen Hoffnung, Zwang, Selbstbehauptung und Verstrickung (1939–1945). Göttingen 2011 , in: H-Soz-Kult, 19.12.2012, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-17675>.
 
 
Ihr Buch ist in vier Teile strukturiert: Der erste Teil befasst sich mit den Jahren 1939–1941, in denen sich die einstige Interessenvertretung der deutschen Juden zunächst unter dem Einfluss der Gestapo, dann des Reichssicherheitshauptamtes zu einer Organisation entwickelte, deren „von oben vorgesehene Bestimmung die gnadenlose Ausplünderung und Vertreibung der Juden war“ (S. 118). In dieser Phase versuchten die verbliebenen Repräsentanten verzweifelt, „diese rasante Entwicklung zu stoppen oder abzumildern und bei allen Aktivitäten, die sich gegen ihre Mitglieder richteten, dennoch Würde zu bewahren und Gerechtigkeit und Solidarität walten zu lassen“ (S. 119). Im zweiten Teil untersucht die Autorin die Frage der Mitwirkung der Reichsvereinigung und der Berliner Jüdischen Gemeinde bei den Deportationen. Sie beschreibt eindrücklich, wie sich zwischen Herbst 1941 und Jahresende 1942 die Mitwirkung der Reichsvereinigung bei den Deportationen – Erstellung von Deportationslisten, Betreibung der Sammellager, Abholung der zur Deportation Bestimmten – immer mehr in ein Werkzeug verwandelte, das „es der Gestapo erleichterte, die letzten in Deutschland lebenden Juden aufzufinden, auszuplündern und abzutransportieren“ (S. 241). Gleichzeitig schwanden alle eventuell noch vorhandenen Einflussmöglichkeiten der jüdischen Funktionäre. Das Reichssicherheitshauptamt nutzte die jüdische Organisation, heißt es bei Meyer gleichzeitig nüchtern und schmerzhaft, „solange es sie benötigte, nahm sie in perfide Kollektivhaftung und deportierte und ermordete ihre Repräsentanten, Mitarbeiter und Mitglieder wie Nichtmitglieder gleichermaßen“ (S. 241).
 
Der dritte Teil der Studie wendet sich den Handlungsmöglichkeiten und -grenzen jüdischer Funktionäre in den Bezirksstellen des Reiches zu, analysiert die Unterschiede zu Berlin und beschreibt schließlich die letzten Jahre der „Rest-Reichsvereinigung“, nachdem die offizielle Organisation aufgelöst und deren Repräsentanten deportiert worden waren.
 
Der Ausblick der Arbeit bezieht auch die Nachkriegsschicksale von Überlebenden ein und behandelt die schwierigen Prozesse, in denen sich angeklagte ehemalige Funktionäre und Mitarbeiter der Reichsvereinigung wegen des Vorwurfs der Kollaboration und Kooperation mit der Gestapo in Ehrengerichtsverfahren jüdischer Gemeinden sowie vor Gerichten verantworten mussten.
 
Um die Tragweite der Auswirkungen der nationalsozialistischen Terrormaßnahmen auf die Betroffenen zu erahnen, ist es notwendig, so viele subjektive Zeugnisse wie möglich zu kennen. Sie sind allerdings erst zu verstehen und nachzuvollziehen, wenn wir sie in den Gesamtzusammenhang stellen können. Beispielhaft hat uns das für die „Jahre der Vernichtung“ Saul Friedländer vorgemacht.
 
Auch Beate Meyer bezieht in ihre Arbeit möglichst viele Erinnerungsberichte Überlebender, Briefe oder Berichte später ermordeter jüdischer Funktionäre oder ihrer Angehörigen ein und nutzt auf Einzelschicksale bezogene Dokumente, die sie in Widergutmachungsakten, Nachlässen und Sammlungen israelischer, deutscher, britischer und amerikanischer Archive gefunden hat. Auf diese Weise gelingt es ihr, die Schicksale und Handlungen einzelner führender Funktionäre der Zentrale, wie etwa von Paul Eppstein, sichtbar zu machen. Auch Persönlichkeiten außerhalb Berlins, wie zum Beispiel der Hamburger Max Plaut, werden portraitiert. Gleichzeitig ist die Studie, die auf Meyers eigenen wichtigen Vorarbeiten zur Geschichte der Reichsvereinigung beruht und durch ihre Mitarbeit an der großen Berliner Ausstellung „Juden in Berlin 1938-1945“ im Berliner Centrum Judaicum im Jahre 2000 sicherlich einen entscheidenden Impuls bekam[4], in erster Linie eine Auseinandersetzung mit den Strukturen sowie eine Organisationsgeschichte. Dabei konnte Meyer auf den Arbeiten von Otto Dov Kulka und Esriel Hildesheimer aufbauen und diese durch viele neue Erkenntnisse und Quellenfunde erweitern.[5]
 
Hohe Sensibilität gegenüber dem Gegenstand und den zum größten Teil ermordeten Akteuren, Empathie und gleichzeitig große Sachlichkeit zeichnen Meyers gut geschriebene Studie aus. Nur manchmal bleiben – aufgrund schwieriger Quellenlage – wichtige Persönlichkeiten etwas zu blass und konturenlos. Das gilt zum Beispiel für die Person des langjährigen Berliner Gemeindevorsitzenden Heinrich Stahl, dessen Handlungen und Motivationen nicht wirklich erhellt werden. Die Konflikte der Berliner Gemeinde mit der Reichsvereinigung könnten diesbezüglich also noch weiter erforscht und die immensen Probleme zwischen dem Vorsitzenden der Reichsvereinigung Leo Baeck und Heinrich Stahl, der im Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde und dort wenige Monate später, im November 1942, gestorben ist, ausführlicher analysiert werden. Dies tut jedoch der wichtigen Arbeit Meyers keinen Abbruch.
Sie trägt Wesentliches dazu bei, die tragischen Verstrickungen der Reichsvereinigung und ihrer führenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, deren innere Konflikte angesichts furchtbarer Bedrohung bei immer enger werdenden Handlungsspielräumen deutlich zu machen. Alle weiteren Forschungen werden auf dieser umfassenden Analyse aufbauen müssen.
 
Anmerkungen:
[1] Hermann Samter, Briefe 1939–1943, hrsg. v. Daniel Fraenkel, Göttingen 2009, S. 88.
[2] Ebd., Brief vom 7. Februar 1943, S. 108.
[3] Saul Friedländer, Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden, 2. Band, 1939–1945, München 2006.
[4] Siehe Beate Meyer, Gratwanderung zwischen Verantwortung und Verstrickung – Die Reichsvereinigung und die Jüdische Gemeinde zu Berlin 1938–1945, in: Dies. / Hermann Simon (Hrsg.), Juden in Berlin, Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung in der Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum“, Berlin 2000, S. 291–337; Dies., Das unausweichliche Dilemma: Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, die Deportationen und die untergetauchten Juden, in: Beate Kosmala / Claudia Schoppmann (Hrsg.), Solidarität und Hilfe für Juden in der NS-Zeit, Bd. 5, Überleben im Untergrund. Hilfe für Juden in Deutschland 1941–1945, Berlin 2002, S. 273–296; Dies., Handlungsspielräume regionaler jüdischer Repräsentanten (1941-1945). Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland und die Deportierten, in: Birthe Kundrus / Beate Meyer (Hrsg.), Die Deportation der Juden aus Deutschland. Pläne – Praxis – Reaktionen 1938–1945, Göttingen 2004, S. 63–85.
[5] Otto Dov Kulka, The Reichsvereinigung and the Fate of the German Jews, 1938/1939–1943. Continuity in German Jewish History in the Third Reich, in: Arnold Paucker (Hrsg.), Die Juden im nationalsozialistischen Deutschland, Tübingen 1986; Esriel Hildesheimer, Jüdische Selbstverwaltung unter dem NS-Regime. Der Existenzkampf der Reichsvertretung und Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Tübingen 1994.
 
Zitation
Sibylle Quack: Rezension zu: Meyer, Beate: Tödliche Gratwanderung. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zwischen Hoffnung, Zwang, Selbstbehauptung und Verstrickung (1939–1945). Göttingen 2011 , in: H-Soz-Kult, 19.12.2012, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-17675>.
 
 
Benedikt Faber:
:( http://www.sehepunkte.de/2011/12/20715.html )
 
 
 
weiter zu
... Beate Meyer versteht es, die Abläufe und Entscheidungen innerhalb der Organisation nahezu lückenlos aufzuarbeiten. Darüber hinaus schildert sie schonungslos, aber mit angemessener Empathie die diversen, oft beschränkten Blickwinkel und Möglichkeiten einzelner Verantwortlicher in ihrer jeweiligen Situation, nicht selten einer "Situation [...] zwischen guten Absichten, äußerem Druck, genereller Aussichtslosigkeit und dennoch gehegten Hoffnungen" (113).
 
 
 
 
hier folgen auskommentiert (unsichtbar)
 
 
*Materialien für umf. Lit.Liste zu Leben …
 
** Norbert Aas (Hrsg.): ''Juden in Bayreuth 1933–2003. Verfolgung, Vertreibung – und das Danach.'' Bayreuth 2007.
* Monika Berthold-Hilpert: ''Jüdisches Leben in Franken nach 1945 am Beispiel der Gemeinde Fürth.'' in: Gunnar Och/Hartmut Bobzin (Hrsg.): Jüdisches Leben in Franken (Bibliotheca Academica 1), Würzburg 2002, Seite 197–212.
* Michael Brenner: ''Aufbruch in die Zukunft (1970-2006).'' in: Michael Brenner, Richard Bauer (Hrsg.): ''Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' München, 2006, 209-223.
* Michael Brenner: ''Impressionen jüdischen Lebens in der Oberpfalz nach 1945.'' in: Michael Brenner/Renate Höpfinger (Hrsg.): Die Juden in der Oberpfalz (Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern 2).'' München, 2009, Seite 231-248.
* Michael Brenner: ''Nach dem Holocaust. Juden in Deutschland 1945-1950.'' München, 1995.
** Michael Brenner, Daniela Eisenstein (Hrsg.): Die Juden in Franken.'' München, 2011.
* Christoph Daxelmüller: ''Palästina oder Bayern - jüdischer Neuanfang nach 1945.'' in: Christoph Daxelmüller/Stefan Kummer/Wolfgang Reinicke (Hrsg.): Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Aufsätze zur Bayerischen Landesausstellung 2009 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 57).'' Augsburg 2009, Seite 196-203.
* Roman Haller: ''Davidstern und Lederhose. Eine Kindheit in der Nachkriegszeit.'' Zürich/München,  2001.
* Roman Haller (Hrsg.): ''... und bleiben wollte keiner.'' München, 2004.
* Anthony D. Kauders: ''Democratization and the Jews. Munich, 1945-1965.'' Lincoln, London 2004.
* Rolf Kießling: ''Die jüdische Gemeinde.'' in: Max Spindler/Alois Schmid (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. 4. Band, 2. Teil, München, 2. Auflage, 2007, Seite 357-381.
* Marita Krauss: ''Theaterremigranten - Fritz Kortner und andere. Die Münchner Kammerspiele als Beispiel.'' in: Irmela von der Lühe (Hrsg.): ''"Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause". Jüdische Remigration nach 1945.'' (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden 34). Göttingen 2008, 339-355.
 
* Susanne Schönborn (Hrsg.): ''Zwischen Erinnerung und Neubeginn. Zur deutsch-jüdischen Geschichte nach 1945.'' München, 2006.
* Julius H. Schoeps, Dieter Bingen, Gideon Botsch: ''Jüdischer Widerstand in Europa (1933-1945): Formen und Facetten.'' Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2016 - 362 pages
* Elmar Schwinger: ''Deportation, Durchgangslager, Völkermord. Der Exodus der mainfränkischen Juden 1941-1944.'' in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 66 (2014), Seite 239-286.
* Andrea Sinn: ''"Und ich lebe wieder an der Isar". Exil und Rückkehr des Münchner Juden Hans Lamm (Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern 1), München, 2008.
* Roman P. Smolorz: ''Juden auf der Durchreise. Die Regensburger Jewish Community 1945-1950. Eine Migrationsgemeinde (Regensburger Studien 16): ''Regensburg 2010.
* Matthias Stickler: ''Inferno und Aufbruch. Der Wiederaufbau Würzburgs und die jüdische Gemeinde.'' in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 62 (Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg 133), Würzburg 2011, 371-388.
* Jim G. Tobias: ''Vorübergehende Heimat im Land der Täter. Jüdische DP-Camps in Franken 1945-49.'' Nürnberg, 2002.
* Jim G. Tobias, Peter Zinke (Hrsg.): ''Nurinst 2010. Beiträge zur deutschen und jüdischen Geschichte. 5. Band: Schwerpunktthema: Leben danach - Jüdischer Neubeginn im Land der Täter.'' Nürnberg, 2010.
* Yeshayahu A. Yellinek: ''Like an Oasis in the Desert: The Israel Consulate in Munich, 1948-1953.'' in: Studies in Zionism 9 (1988), Seite 81-98.
* Juliane Wetzel: ''Jüdisches Leben in München 1945-1950. Durchgangsstation oder Wiederaufbau? '' (Miscellanea Bavarica Monacensia 135), München, 1987.
 


Quellen
* Gemeindeblatt der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg
* IKG Schwaben/Augsburg: ''Gebt Ehre der Lehre.'' Augsburg, 1963.
* Mitteilungsblatt des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern
* Münchener Jüdische Nachrichten
* Nachrichten für den jüdischen Bürger Fürths
* Nurinst
* Baruch Ophir, Falk Wiesemann: ''Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945.'' München, 1979.
* Yidishe tsaytung
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*Douglas Bokovoy, Stefan Meining (Hrsg.): ''Versagte Heimat. Jüdisches Leben in Münchens Isarvorstadt 1914-1945.'' München, 1994.
*Douglas Bokovoy, Stefan Meining (Hrsg.): ''Versagte Heimat. Jüdisches Leben in Münchens Isarvorstadt 1914-1945.'' München, 1994.
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* Karl Wieninger: ''In München erlebte Geschichte''. Verlag E. Strumberger, München, 1985. ISBN 3-921193-21-4
* Karl Wieninger: ''In München erlebte Geschichte''. Verlag E. Strumberger, München, 1985. ISBN 3-921193-21-4


==Weblinks==
== Weblinks ==
* [http://www.juedischeszentrumjakobsplatz.de/ Homepage mit Informationen, Öffnungszeiten und Telefonnummer des Jüdischen Zentrums Jakobsplatz]
* Jüdisches Zentrum Jakobsplatz: [http://www.juedischeszentrumjakobsplatz.de/ Internetauftritt]
* [http://www.ikg-muenchen.de/ Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern]
* Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern: [http://www.ikg-muenchen.de/ Internetauftritt]  
* [http://www.muenchen.de/Rathaus/bau/projekte/projekte04/jued_mus/134167/index.html Informationen zum jüdischen Zentrum auf den Seiten der Stadt München] (muenchen.de)
* Landeshauptstadt München: [http://www.muenchen.de/Rathaus/bau/projekte/projekte04/jued_mus/134167/index.html Informationen zum jüdischen Zentrum]
*[http://www.sueddeutsche.de/,tt1m1/muenchen/schwerpunkt/859/20839/index.html/muenchen/artikel/114/91023/article.html Schwerpunkt-Dossier zur Eröffnung der neuen Synagoge] (von der [[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]] von 2007)
*[http://www.sueddeutsche.de/,tt1m1/muenchen/schwerpunkt/859/20839/index.html/muenchen/artikel/114/91023/article.html Schwerpunkt-Dossier zur Eröffnung der neuen Synagoge] (von der [[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]] von 2007)
* [http://www.after-the-shoah.org/index.php?id=2 Nürnberger Institut e. V.: ''Internetlexikon''] mit Informationen über alle jüdischen [[DP-Camp]]s und Communities in der US Zone nach 1945


Geschichte, Baugeschichte:
Geschichte, Baugeschichte:

Aktuelle Version vom 30. Oktober 2023, 16:14 Uhr

St. Jakobs Platz: Links die Ohel Jakob Synagoge, in der Mitte das jüdische Museum, rechts das jüdische Gemeindezentrum

Am 9. November 2006 wurde das neue Jüdische Zentrum in München am St.-Jakobs-Platz mit der neuen Hauptsynagoge Ohel Jakob, dem Gemeindehaus und dem Jüdischen Museum feierlich eröffnet. Zuvor war das jüdische Zentrum behelfsweise in der Reichenbachstraße 27 untergebracht.

Das neue Baugelände, welches zuvor jahrelang ein brachliegendes Überbleibsel der Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges war, wurde 1999 der Gemeinde von der Stadt München als Bauplatz für ein jüdisches Zentrum angeboten und von ihr akzeptiert. Am 24. Juni 2004 wurde der erste Spatenstich vollzogen und zum 9. November erfolgte dort die Grundsteinlegung. Die Fertigstellung ist im Frühjahr 2007 erfolgt. Der Entwurf stammt von dem Saarbrücker Architekturbüro Wandel, Hoefer, Lorch.

Lage

Der St.-Jakobs-Platz liegt zurückgesetzt östlich von der Straße Oberanger, die über den Rindermarkt (als Fortführung dieser Straße) direkt vom Zentrum um den Marienplatz her führt, und nördlich der Corneliusstraße. Östlich von ihm liegt der Sebastiansplatz.

Am Nordrand des Platzes befinden sich das Stadtmuseum, am Westrand das Ignaz-Günther-Haus und südlich des Platzes die ihm namensgebende christliche Kirche.

Die Geschichte der Gemeinde in Stadt und Umland

(entsprechend der Homepage der IKG)

Historiker gehen davon aus, dass sich in München bereits kurz nach der Stadtgründung 1158 auch Juden ansiedelten.

1210 - Urkunden: Die erste persönliche Erwähnung eines Juden ist die des “Abraham der Municher”. Sie ist auf 1229 datiert.

Im 14. und 15. Jahrhundert wechselten sich wie im übrigen Deutschland Wachstum der jüdischen Gemeinschaft und Pogrome gegen sie ab. Pogrome und Vertreibungen sind in den Jahren 1285, 1345, 1349, 1413, 1442 und 1715 dokumentiert.

1442 Vertreibung jüdischen Lebens aus München und ganz Oberbayern.

1789: rechtliche Gleichstellung, die so genannte Judenemanzipation im Zeitalter der Aufklärung

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es erneute Ansiedelungen von Juden in der Stadt.

Von 1806 an, unter der Regentschaft des Wittelsbachers Max I. Joseph, änderte sich die Situation für die jüdische Gemeinschaft. Die Vorschriften, unter denen Juden im Königreich Bayern lebten, waren zwar restriktiv und rigide, sie schufen jedoch eine gewisse Rechtssicherheit, die ein geregeltes Leben möglich machte.

1815: Gründung der “Israelitischen Kultusgemeinde München”. Ein Jahr später erhielt die Gemeinde die Erlaubnis zur Anlage eines Friedhofs.

1824: Herzog Max genehmigte den Bau einer Synagoge im “Judengäßlein”. Bau einer Synagoge an der Westenriederstraße 7. Die Synagoge sollte aus Behördensicht die über das Stadtgebiet verstreuten privaten Beträume ablösen. Der Platz am Stadtrand verhinderte zugleich einen repräsentativen Kultbau in der Stadtmitte.

1872 – 1920, Jahre der Entwicklung

1861 lockerte der bayerische Landtag einige Restriktionen gegenüber Juden: sie konnten sich nun unbeschränkt niederlassen.

1871 / 1872 – mit der Gründung des Deutschen Reiches – erfolgte eine rechtliche Gleichstellung.

Auf Betreiben König Ludwigs II. wurde 1882 ein Grundstück gegenüber der Maxburg für den Neubau einer Hauptsynagoge in der Stadtmitte zur Verfügung gestellt. Es folgte der Bau der neuen Synagoge in der Herzog-Max-Straße am heutigen Lenbachplatz.

Dieser beeindruckende, nach Plänen von Albert Schmidt im Stil der Neoromanik konzipierte Langbau wurde am 16. September 1887 feierlich mit zahlreichen offiziellen Gästen eingeweiht. In unmittelbarer Nähe zur Frauenkirche im Zentrum Münchens gelegen, galt die neue Hauptsynagoge bis zu ihrer Zerstörung als einer der schönsten Synagogenbauten Europas und war gleichzeitig drittgrößte Synagoge Deutschlands. Eine Zeit voller Integration schien angebrochen zu sein.

Nach 1900: Aufgrund dortiger zahlreicher Pogrome setzte etwa zeitgleich eine starke Zuwanderungsbewegung aus dem östlichen Europa ein. Die Zahl der jüdischen Bevölkerung Münchens stieg nach der Jahrhundertwende deutlich an. Im Jahr 1910 gehörten von etwa 590.000 Einwohnern der Stadt 11.083 dem jüdischen Glauben an – also knapp zwei Prozent der Gesamtbevölkerung.


Sigmund Fraenkel (1860-1925) war Vorsitzender des Münchner orthodoxen Synagogenvereins.

1930 – 1945, Repression, Vertreibung, Morde

Doch bereits in den 1920er Jahren begann das Leben für Juden schwieriger zu werden. Die Spannungen nahmen zu, es kam zu rücksichtslosen Ausweisungen polnischstämmiger Juden. Die Trupps der so genannten Sturmabteilung (SA) der NSDAPW organisierten Übergriffe gegen jüdische Geschäfte und Personen.

31. Januar 1933: Mit Hitlers Kanzlerschaft begannen massive, staatlich angeordnete Repressionen und Beraubungen der beruflichen Existenz, die später in den Nürnberger Rassegesetzen mündeten und der Vernichtung der Juden Europas in den Köpfen vieler Bürger den Weg bereiteten.

Um 1936: Zahlreiche jüdische Menschen verließen unter diesem Druck Bayern. 1936 hatte die jüdische Gemeinde noch 9.000 Mitglieder, zwei Jahre später war die Zahl bereits auf die Hälfte gesunken.

9. November 1938: Die Synagoge „Ohel Jakob“ an der Herzog-Max-Straße brannte aus, die Synagoge in der Reichenbachstraße wurde nur auf Grund der engen Nachbarschaft und dichten Bebauung des Gärtnerplatzviertels nicht niedergebrannt. Von diesem Zeitpunkt an fehlten im Adressbuch Münchens sämtliche Synagogen und Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde. Viele Geschäfte und Vermögenswerte wurden von den Verhafteten "freiwillig" an Parteimitglieder überschrieben (Vgl. Arisierung). Noch wusste man nicht, dass die gewaltsam ins Ausland Vertriebenen noch die Glücklicheren in dieser Katastrophe waren. Auf dem Papier hatten die Juden Münchens bereits damit aufgehört zu existieren.

1945, Zwischenstation, Neuanfang

Nach der Befreiung Deutschlands kehrte jüdisches Leben in die ehemalige “Hauptstadt der Bewegung” zurück. München wurde Auffangstation für so genannte “Displaced Persons”, Juden und Verfolgte des Nazi-Regimes, die auf der Suche nach Angehörigen waren und auf der Suche nach einer neuen Heimat.

Nur ein Bruchteil davon war aus Konzentrationslagern befreit worden, ein größerer Teil stammte aus den Sammellagern in Deutschland oder aus Osteuropa. Es gab Flüchtlinge aus allen Teilen Europas. München sollte nur eine Durchgangsstation auf dem Weg nach Palästina, in die USA oder andere Länder sein. Auf diese Weise zählte die Jüdische Gemeinde Münchens im März 1946 rund 2.800 Mitglieder.

19. Juli 1945: die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern K.d.ö.R. (IKG, wie die christlichen Kirchen nun wieder eine Körperschaft) wurde im Schutz der Militärregierung neu gegründet.

Januar 1947: Gründung des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern (ab Juli Körperschaft des öffentlichen Rechts)

20. Mai 1947: Einweihung der wiederhergestellten Synagoge in der Reichenbachstraße 27.

Bis Ende der 1980er Jahre stieg die Mitgliederzahl der Jüdischen Gemeinde auf rund 4.000 Personen. Im Lauf von weiteren zehn Jahre verdoppelte sich die Zahl ihrer Mitglieder auf knapp 8.000.

9. November 2006: Einweihung der neuen Hauptsynagoge Ohel Jakob am St.-Jakobs-Platz 18. Kurz darauf gefolgt von dem angrenzende Gemeindehaus, einem Kulturzentrum und dem Jüdischen Museum der Stadt München.

Landesverband der Kultusgemeinden

Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern


Effnerstraße 68
81925 München
☎ : 089 989442
@ : info@IKGL.de


Vielfalt des jüdischen Lebens in München

Wer würde vom Leben der Katholiken in München sprechen oder schreiben? Dann schon eher von der Minderheit, die es einige Jahrhunderte lang in der Stadt gab: den Lutheranern, den Reformierten oder als Oberbegriffe den Evangelischen oder Protestanten. Aber seltsam klingt es in heutiger Zeit irgendwie doch. Dagegen klingt "Jüdisches Leben in München" als Themenbeschreibung für Aufsätze über die Besonderheiten von Lebensbedingungen Angehöriger dieser Religionsgemeinschaften schon fast alltäglich. Es vermeidet jedenfalls den Anklang an die Verfolgungsgeschichte zwischen 1933 und 1945.

"Die" Juden in München gab es nicht — eigentlich zu keinem Zeitpunkt ind den letzten Jahrhunderten. Die Lebenssituationen waren so unterschiedlich wie bei den Katholiken, den Bayern vom Lande in der Großstadt oder ähnliche Vergleiche. Aber für diese Menshen gab es noch aus dem Mittelalter heraus entwickelte besondere gesetzliche Regelungen zum Beispiel über Steuern, Niederlassungsrechte und Schulbesuch.

Auf einen ausführlichen Artikel bei Wikipedia kann hierzu verwiesen werden: Geschichte der Juden in MünchenW Er ist gegliedert in Abschnitte über

12. Jahrhundert: Beginn jüdischen Lebens in München
14. und 15. Jahrhundert: Wachstum, Pogrome, Vertreibung
18. Jahrhundert: Rückkehr jüdischen Lebens nach München
1806 bis 1871: Rechtssicherheit, Gründung der IKG, Friedhof und Synagogenbau
1872 bis 1900: Rechtliche Gleichstellung und zwei neue Synagogen
1900 bis 1919: Zuwanderung aus Osteuropa
Weimarer Republik
1933 bis 1945: Repressionen, Verfolgung, Vertreibung und Tod
1945 bis heute

Bücher:

  • Richard Bauer und Michael Brenner (Hrsg.): Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C.H. Beck Verlag, München, 2006, 288 Seiten. ISBN 978-3-406-54979-3 (Das von Bauer und Brenner herausgegebene Buch ist die erste umfassende Darstellung zu diesem Thema.)
  • Jüdisches Leben in München. Lesebuch zur Geschichte des Münchner Alltags. Geschichtswettbewerb 1993/94. Hrsg. von der Landeshauptstadt München, Buchendorfer Verlag, München, 1995, 274 Seiten. ISBN: 978-3-927984-38-7

Jüdisches Museum

Teil des Jüdischen Zentrum ist das Jüdische Museum, es wurde 2007 eröffnet. Es ist der erste offizielle Erinnerungsort für jüdisches Leben in dieser vom Katholizismus geprägten Stadt. Mit seinen ungewöhnlichen Ausstellungskonzepten lockt es viele Besucher an. 70 Jahre nach der Zerstörung der alten Synagogen durch die Nationalsozialisten hat das religiöse Judentum wieder einen repräsentativen Ort im Kern der Stadt zurückerhalten. Wer das Museum betritt gelangt zunächst in das großzügige Foyer mit einem Andenken- und Buchladen und einer Café-Bar, bei der Sonne und schönes Wetter auch auf Plätzen im Freien genossen werden kann.

Neben der Dauerausstellung über jüdische Geschichte und Identität gibt es von der Peter H. Bach-Stiftung Erinnerungen an das einst größte Kaufhaus/Konfektionshaus Münchens.

Die Kabinettausstellung ebenfalls bis 23.05.10 heißt: Unbelichtet und zeigt drei "Münchner Fotografen im Exil“. Sie blieben in Deutschland zwangsläufig weitgehend unbekannt: Alfons Himmelreich, Efrem Ilani und Jakob Rosner verbindet, dass sie alle in den 1930er Jahren von München aus ins damalige Palästina auswanderten und mit ihren Arbeiten den Aufbau des Landes Israel dokumentierten.

Film

  • Birgit Rätsch: Angekommen im Herzen der Stadt. Die jüdische Gemeinde in München.

Siehe auch


Literatur

  • Beate Meyer: Tödliche Gratwanderung. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zwischen Hoffnung, Zwang, Selbstbehauptung und Verstrickung (1939-1945). In der Reihe: Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden (für die Stiftung Institut für die Geschichte der deutschen Juden Hrsg. Stefanie Schüler-Springorum und Andreas Brämer); Bd. 38, 2011. 464 S., ISBN 978-3-8353-0933-3
  • Avraham Barkai: Wehr Dich! Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.) 1893-1938, München, 2002.
  • Otto Dov Kulka: The Reichsvereinigung and the Fate of the German Jews, 1938/1939-1943. Continuity or Discontinuity in German-Jewish History in the Third Reich, in: Arnold Paucker (Hg.): Die Juden im nationalsozialistischen Deutschland. Tübingen, 1986, S. 353-363; ders.: Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Bd. 1: Dokumente zur Geschichte der Reichsvertretung der deutschen Juden 1933-1939, Tübingen, 1997.
  • Esriel Hildesheimer: Jüdische Selbstverwaltung unter dem NS-Regime. Tübingen, 1994.
  • Andrea Sinn: "Und ich lebe wieder an der Isar". Exil und Rückkehr des Münchner Juden Hans Lamm (Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern 1), München, 2008.
  • Douglas Bokovoy, Stefan Meining (Hrsg.): Versagte Heimat. Jüdisches Leben in Münchens Isarvorstadt 1914-1945. München, 1994.
  • Andreas Heusler: Doppelte Diskriminierung. Rassismus und antisemitistische Gewalt gegen "Ostjuden" in München zwischen 1880 und 1930, in: Angela Koch (Hrsg.), Xenopolis. Von der Faszination und Ausgrenzung des Fremden in München. Begleitband zur Ausstellung "Xenopolis ... " in der Rathausgalerie München vom 27. April bis 12. Juni 2005
  • Hans Lamm: Von Juden in München. Ein Gedenkbuch. Ner-Tamid-Verlag, München, 1959, 406 Seiten.
  • Reiner Pommerin: Die Ausweisung von "Ostjuden" aus Bayern 1923. Ein Beitrag zum Krisenjahr der Weimarer Republik. :n: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 34 (1986), Seite 311-340.
  • Dirk Walter: Ungebetene Helfer - Denunziationen bei der Münchner Polizei anläßlich der Ostjuden-Ausweisungen 1919 bis 1923/24. In: Archiv für Polizeigeschichte 18 (1996), Seite 14-20.

Weblinks

Geschichte, Baugeschichte: