Wolfratshausen im Herzogtum Bayern

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Wolfratshausen im Herzogtum Bayern war bis zum dreißigjährigen Krieg die politische Struktur, in der sich das heutige München östlich der Isar gelegen, befand. Gemeint ist die Geschichte des heutigen Wolfratshausens.

Bis zum Dreißigjährigen Krieg unterlag der heute östlich der Isar gelegene Teil Münchens der Jurisdiktion des Landgerichtes Wolfratshausen.  

Politische Struktur des feudalen Bayern

Das Lex Baiuvariorum teilte Bayern in Gaue, also geographische Räume, Siedlungslandschaften und Verwaltungsräume.[1] Bayern nördlich der Alpen gliederte sich entsprechend den Himmelsrichtungen: Nordgau, Westergau, Ostergau und Sundergau. Die Gaue vermehrten sich durch Ausbreitung nach Süden und Teilung.

In den ältesten Salzburger Güterverzeichnissen, dem Indiculus Aronis und den Breves notitiae Salisburgenses, Sammlungen von Urkunden und Aufzeichnungen historischen Inhalts aus der Zeit nach der Absetzung Tassilos III., werden 20 große Gaue aufgezählt [2] Zwischen den Gauen gab es Gebiete, die außerhalb der Gaue anderweitigen Besitzern gehörten[3] So lag beispielsweise zwischen dem Salzburg-, Matting- und Attergau ein großes Waldgebiet, das Herzog Odilo (Oatilo) ca. 755-748) dem Kloster Mondsee geschenkt hatte [4]. Unter den Gauen war einer der weitest ausgedehnten und größten der Sundergau. Er dehnte sich von einer im Norden gedachten Linie von nördlich München bis nördlich Wasserburg bis ungefähr an die heutige bayerische Südgrenze aus und schloss das Land zwischen Loisach, Isar und Inn ein [5].

Bis 1380 die Regierung der Grafen

Seit der MerowingerW ernannte der Herzog einen Grafen als Bevollmächtigten zum Ausüben sämtlicher Hoheitsrechte in einem Gau. Michael Doeberl umreißt die Gerechtsame der Grafen:

  • "Er hat den Gerichtsbann, d.h. er führt den Vorsitz in den Gerichtsversammlungen an den verschiedenen Dingstätten seines Gaues.
  • Er hat den Polizeibann, d. h. er übt die Sicherheits- und Verkehrspolizei (Straßen- Brücken-, Marktwesen).
  • Er hat den Heerbann, d. h. er bietet alle Freien seiner Grafschaft zum Heeresdienst auf und befehligt sie im Kriege.
  • Er hat den Finanzbann, d. h. er erhebt die Einkünfte aus öffentlich-rechtlichen Titeln, Bußen, Friedensgeldern, Steuern, wo solche herkömmlich sind, damit verbindet er vielleicht die Aufsicht über die herzöglichen Güter" [6]

Die Grafen waren keine Verwaltungsbeamten, da ihr Lehen erblich war. [7]. Die schon seit den ältesten Zeiten in Bayern voll ausgeprägte Grundherrschaft erlaubte ihnen nur auf ihren eigenen Besitzungen unumschränkte Verfügungsfreiheit. Aber dies waren in der Regel keine zusammenhängenden, geschlossenene Gebiete sondern sehr zerteilt und weit verstreut. Daneben und dazwischen saßen andere Grundherren, seien es Adelige (Nobiles), freie Bauern oder sogar Freigelassene, die eifersüchtig über ihre Freiheit wachten und auf ihre Selbstständigkeit pochten. Mehr Rechte besaßen die Grafen, soweit sie Vögte über eine Kloster oder eine Bischofskirche waren.

In den früheren Zeiten herrschte die Auffassung, dass Geistliche nicht voll rechtsfähig wären. Sie mußten sich bei Rechtsgeschäften durch einen adeligen Vogt vertreten lassen. So übte der Graf wie in seiner Grafschaft auch in kirchlichen Besitzungen die (höhere) Gerichtsbarkeit aus [8].

War das Grafenamt anfänglich ein Lehen des Herzogs oder Königs gewesen, das immer neu verliehen werden musste, so zeigten sich schon unter Ludwig dem Frommen und seinen Nachfolgern im 9. Jahrhundert Ansätze zur Vererbung und Feudalisierung des Grafenamtes; im 11. Jahrhundert setzte  sich beides grundsätzlich durch. Das führte zur Auflösung der alten page oder Gaue verloren ihre Bedeutung als politische Bezirke und sanken zur geografischen Begriffen herab. An ihre Stelle traten die mehr oder weniger willkürlich gebildeten neuen Amtsbezirke, die Grafschaften, comitiae oder comitatus.

Die Befugnisse der Grafen blieben im wesentlichen dieselben ie in der agilolfingischen oder karolingische Zeit. Neu aber wrude häufig die ehemals der Krone vorbehaltenen Rechte oder Regalien, wie Markt-, Zoll-, Forst-, Bergwerks- und Salinenreche, in den Kreis der dem Grafen zustehenden lehnbaren territorialen Rechte eingefügt [9]. Dadurch wuchs das Ansehen und die Macht der Grafen, die noch dadurch gesteigert wrude, daß sie sich durch Heirat, Erbschaft, oder anderen Erwerb in Besitz von 2 oder mehr Grafschaften setzten und ihren Grundbesitz vergrößern konnten. Sie bauten sich nun feste Höhenburgen und, während man früher die Grafen und Herren nur mit dem Rufnahmen genannt hatte, verbanden sie  nun mit diesem auch den Namen der Burg  auf der sie saßen [10].

Im Sundergau entstanden eine Reihe von Grafschaften, von denen in unserem Zusammenhang nur jene interessiert, in der die späteren Grafen von Wolfratshausen walteten. Erst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts wird dort ein Graf Arnold erwähnt [11]. Eine Urkunde von 1003 berichtet von einer Grafschaft Friedrichs, der in Haching im Sundergau richtete (comitatus Frideric, qui judicat in Hachingun in Pago Sundergowe) [12]. Gemeint ist hier wohl nicht Ober- oder Unterhachning, sonder im allgemeinen das Hachinger Tal das wahrscheilich Herzogliches Fiskalgut war [13]. Sein Sohn Otto I., der sich Graf von Diessen nannte, besaß in der ersten Hälfte des 11. Jahrhuderts als Lehen dem Kloster Tegernsee enfremdete Güter, darunter solche in den Ortschaften Popunhusa (Bogenhausen) uind Veldchirihha (Feldkirchen)[14].

Der Enkel Freidrichs I. Otto II., nannte sich nach seinen Besitzungen Graf von Thanning (bei Wolfratshausen), Graf von Amras (bei Innsbruck), Graf von Diessen und Graf von Wolfratshausen. Dadurch bekundete er sich als Angehöriger des Geschlechts der GTrafen von Diessen, die sich später nach ihrer neuerbauten Burg Gravon von Andechs nannten und zu den mächtigsten Familien des Mittelalters gehörten. Er starb am 24. April 1122[15].

Besonders wichtig für die Entwicklung und den Aufstieg der Familie der Andechser war die Übernahme der Vogteien über die Reichsklöster Benediktbeueren, gegen Ende des 11. Jahrhunderts, und Tegernsee im Jahre 1121, die ehemals in der Hand der 1045 ausgestrobenen Grafen von Ebersberg waren, zwischenzeitlich aber anderweitig vergeben waren. Eine bestimmt begründete Vermutung besagt, daß der Platz der späteren Burg Wolfratshausen Benediktberrer Besitz war und daß diese Burg, wie es im Hochmittelalter üblich war, dem Vogt auf dem Grund und Boden des von ihm bevorzugten Klosters erbaut wurde. Dasselbe gilg auch von Andechs und vermutlich auch von Amras 15. Die Grafen von Wolfratshausen besaßen als Grundherrn und Vögte die Hauptmasse der Güter im südwestlichen Teile des Sundergaues um Loisach, obere Isar bis in die Gegend  von München und um den Tegernsee. Außerdem wirkten sie im jetzigen Tiroler Unterinntal etwa von Zirl bis zur Mündung des Zillertals und südlich bis zur Höhe des Hochstiftes aBrixen von diesen auch die Grafschaften verliehen [16]. Aus den Klosterurbaren geht hervor, daß die Einkünfte, die die Wolfratshausener Grafen bezogen aus den Vogteien wesentlich größer waren, als die aus ihren Grundherrschaften Der letzte Wolfratshausener, Heinrich II., der auch Vogt von St. Emmeran war. starb am 2. Mai 1157. Da er keine Nachkommen hinterließ, gingen die Besitzungen und Vogteien der Wolfratshausener Linie an die verwandten Grafen von Diessen-Andechs über, die seit 1132 auf der Burg Anechs saßen [17]. Die Grafschaft blieb als selbstständige Grafschaft erhalten und wurde von einem Mitglied der Familie geführt. Im ganzen Lande verteilt finden wir auf ihren Höfen oder festen Türmen die Gefolgsleute der Andechser. So war Krichheim, anch dem sich Diessen-Andechser Ministerialen nannten, einer Verwaltungsmittelpunkte der Grafschaft Wolfratshausen im 12. und 13. Jahrhundert [18].

Aufstieg der Wittelsbacher

Unter den ersten drei bayerischen Herzögen aus dem Hause Wittelsbach: Otto I (1180-1183), Ludwig I., dem Kehlheimer, (1183-1231) und Otto II., dem Erlauchten, (1231-1253) entbrannten heftige Kämpfe zwischen den ihren Staat auf- und ausbauenden Fürsten und den ihnen an Macht vielfach ebenbürtigen, nach immer mehr Besitz und Einfluß strebenden Grafengeschlechtern. Als im 13. Jahrhundert eine gräfliche Familie nach der anderen erlosch, zogen die Wittelsbacher in sprunghaftem Zupacken nicht nur die erledigten Grafschaften ein, sondern griffen auch, ohne Rücksicht aufetwaige Erben, nach den Eigengütern, Lehen und Klostervogteien der ausgestorbenen Geschlechter. So bemächtigte  sich Herzog Otto II. nach dem Tode des letzten Andechsers Otto VIII, im Jahre 1248 des Besitzes dieser Familie. Dadurch wurde die Grafsschaft Wolfratshausen wittelsbachisch [19]. Nach diesem überschauenden Überblick über die Geschicke dieser Grafschaft fallen unsere Blicke wieder auf Haidhausen. Abweichend von den oben Ausgeführten behauten nun Ritter von Lang [20] und scheinbar auf ihm fußend Bavaria [21], daß bei der Belehung Ottos von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern im Jahre 1180 das Gebiet von der Isar bis zur Grenze der alten Grafschaft Ebersberg und von Grünwald bis Ismaning an das Haus Wittelsbach gekommen wäre, das damit eine vorteilhafte Verbindung zwischen seinen Grafschaften Wartenberg und Ebersberg einerseits und Wittelsbach und Dachau andererseits erhalten hätte. Zum Kastenamt Krichheim (dem späteren Hofkastenamt) erhoben, hätte es die Ortschaften Grünwald, Haching, Perlach, Harlaching, Trudering, Giesing, Berg am Laim, Riem, Haidhausen, Bogenhausen, Feldkirchen und Kirchheim eingeschlossen. Reitter von Lang stellt sogar die Behauptung auf, daß diese Gebiet seit alten Zeiten herzoglies Soner- oder Kammergut gewesen wäre. Diese Behauptungen stehen jedoch in klarem Widerspruch zu den Angaben im Urbarium dcatus Baiuwariae antiquissimum ex anno 1240 c, dr ältesten Aufzeichnung des herzoglichen Besitzstandes [22]. Danach  werden im Schergamt Krichheim des Offiziums Landshut in dem Dorfe Kirchheim als herzogliche Güter lediglich 2 Hufen und 2 Höfe und in Englschalking 1 Hof, 1 Hirtenlehen und eine Vogtei aufgeführt. Die oben aufgezählten Orte werden aber als herzogliches Kammergut nicht erwähnt. Erst im Urarium Ducatus Baiuwariae Posterius ex anno 1280 c. [23] finden wir in den Orten Kirchheim, Berg, Föhring, Haidhausen, Brunntal und Sendling herzogliche Güter mit ihren Leistungen genannt. In Haidhausen besaßen die Herzöge einen Hof, der folgende Lasten zu tragen hatte: 2 Schäffel Weizen, 5 Schäffel Korn, 6 Schäffel Haber, 1 Schwein im Werte von 48 Pfennig, 2 Gänse, 4 Hühner und 100 Eier[24]. Forsthaber hatten die Wälder von Baierbrunn und Ebersberg zu liefern, ebenso die Förster von Purolvingen (Purfing), Oberoluingen (Obelfing), Seensis (Kirchseeon), Wolflizzingen (Wofseing) und Rutheringen (Riedering) [25]. Die Hufe Forsetern hatte enbesoviel Abgaben zu entrichten (Vorstern huba dat tnatnum steuras). Als Vogteien sind angeführt: Palthaim (Baldham), Sallendorf (Salmdorf), Poltzehim (Potzham), Perloch (Perlach), Truhteringen (Trudering), dort acuh 5 kleine Güter (ibidem quinque prediola), Riemen (Riem), Hausen (Haus), Puginhusen (Bogenhause), Nansheim (Landsham), Velchirchen(Feldkirchen), Tissenhouen (Deisenhofen), Puchloch, Gransprunnnen (Grasbrunn), Gerhertingen (Gerharding) (Vogtei in 2 Gütern), Riemen (Riem)(ebenfalls in 2 Gütern), Windingen (Winnig), Solaern (Solalinden) mit dem Zusatz: 1 Scheffel Haber nach Tegernseer Maß (avene I modium tegernseenis mensure), Meschenvelt (Möschenfeld) [26]. Modii aduocales (Vogthaber) hatten zu liefern Geroldus de Furt, Heinricus de  Furt, H. de Sawerloch (Sauerlach), Meingoto de Deisenhofen und Ulrich Auceps (Vogelfänger) de Argart (Arget). Diese Beurkundungen im 2. Urbar dürften den Beweis erbringen, daß das Gebiet auf dem Isarrain erst mit der Besitzergreifung der Grafschaft Wolfratshausen 1248 an das Haus Wittelsbach gelangt ist und die Verbindung der herzoglichen Grafschaften links und rechts der Isar erst im 13. Jahrhundert hergestellt wurde. In den herzoglichen Güterverzeichnis von 1343, dem Urbarium Bauvariae superioris, Vicedominatus monacensis, scriptum saeculo XIV., wird in Haidhausen wieder ein herzoglicher Hof angeführt, der dieselben Leistungen abzuführen hat, wie der im 2. Urbarium, dazu aber noch eine Steuer von 6 Schilling Pfennigen (pro stiura VI sol. denar.) Es dürfte sich in beiden Fällen wohl um denselben Hof gehandelt haben[27].

Beamte ersetzen Grafen

Nach der Inbesitznahme der Grafschaft Wolfratshausen setzten die Herzöge nicht mehr Grafen ein, sondern wandelten die Grafschaft in eine Amt um und ernannten zur Durchführung der Gerichtspflege und Verwaltung Beamte, die ihr Amt nicht mehr vererben konnten, sondern jedernzeit ersetzt wurden, weil sie nur auf Ruf und Widerruf angestellt wurden [28]. Zunächst übte der Richter Justiz und Verwaltung in einer Person aus. Auf ihn ging auch der Blutbann des früheren Grafen über, d.h. er urteilte nicht nur nach der sog. Niedergerichtsbarkeit über geringe Vergehen, sondern in Vertretung des Herzogs auch bei den drei todeswürdigen Verbrechen Mord, Notzucht und Diebstahl mit Straßenraub. Mit dem späten 13. Jahrhundert trat fast überall, wahrscheinlich auch in Wolfratshausen, der Pfleger ihm an die Seite. Dieser  mußte dier Herzogsburg im Stand halten und dem Richter die Verwaltungsgeschäfte abnehmen, so daß  dem Richter nur mehr die richterliche Aufgabe verblieb. In der Folgezeit Vorsteher und die Landrichter der 2. Beamte [29]. Im 14. und 15. Jahrhundert trat für die Beizeichnung "Amt" der Name "Pflegamt" oder "Landgericht" [30]. Under dem Landrichter standen die Schergen oder Amtsleute. Sie mußten die Untertanen vor Gericht laden und die Zeugen aufrufen, zum Scharwerk aufbieten und die Abgaben einsammeln, die Durchführung der Polizeiordnung überwachen und bei Ordnungswidrigkeiten einschreiten[31].

Vier Schergämter des Landgericht Wolfratshausen

Das Landgericht Wolfratshausen war 1538 in vier Schergämter eingeteilt, die ihren Sitz in Warngau, Wolfratshausen, Thanning und Perlach hatten [32]. Hier fanden die Schrannen statt, zu denen der Richter mit seinem Gerichtsschreiber wie früher der Graf (γράφω gr. schreiben) herumreiste, um Gericht zu halten [33]. Haidhausen gehörte zum Amt Perlach. Dieses war wieder in Hauptmannschaften eingeteilt, an deren Spitze ein "Hauptmann", oder wie er später hieß ein "Obmann" stand, der aus der Bevölkerung gewählt wurde. Die Hauptmannschaften dienten als kleinste Verwaltungseinheiten militärischen, steuerlichen und Scharwerkszwecken. Die Haupt- und Obleute hatten in polizeilichen Dingen eine Aufsichts- und Anzeigepflicht dem Schergen gegenüber, sie selbst übten aber keine Polizeigewalt aus [34]. 1538 bildete Haidhausen mit Obergiesing, Au und Untergiesing, Putzbrunn, Höhenkirchen und Bogenhausen die Hauptmannschaft Obergiesing[35]. 1574 gehörte es in dei Hauptmannschaften u. Ober- und Niederhaching mit Obergiesing, Au und Untergiesing, Bogenhausen, Stockach und Höhenkirchen, Ödenstockach und Potzbrunn [36]. In diesem Jahre war  der Haidhausener Lenzbauer Lienhardt Gelb Hauptmann[37]. 1585 ist das Dorf Haidthausen in der Hauptmannschaft Ober- und Untergiesing aufgeführt [38].

Gmein

Zu diesen Zeiten war Haidhausen nur ein Dorf im Verbande der angeführten Haupt- und Obmannschaften, bildete aber aber keine selbständige Gemeinde im modernene Sinne. Die politische Gemeinde als Selbstverwaltungskörper und unsterstes Organ der Staatsverwaltung war dem ältesten bayerischen Recht unbekannt [39]. Wohl aber gab es die "Gmein", aber man verstand darunter zunächst nur die von allen Bauern eines Dorfes gemeinsam grundstücke: Wald Moor, Weidenschaften. Erst in zweiter Linie bedeutete "Gmein" die Versammlung von Dorfgenossen und endlich auch die gesamte Bauernschaft oder "Nachbarschaft", welche an den Gmeingründen teilhatte. Die Nutzungsberechtigung and diesen Gründen war an den Besitz eines Bauernanwesens gebunden[40]. Die alte Dorfgmein war ja keine vom Staat zu einem öffentlichen Zweck vereinte Gesellschaft, sondern einen durch einen privaten Zweck, nämlich durch die Berechtigung zur Nutzung gemeinsamer Grundstücke bedingte Vereinigung von Bauern[41]. Das Bestehen einer Gmein führte zur Beschränkung der Vermehrung der Herdstellen und zum Verbot der Güterzertrümmerung, weil dadurch eine Vermehrung der Nutzungsberechtigten eingetreten wäre. So war auch nur den Bauern, nicht aber den sog. Leerhäuslern (Taglöhnern, Herbergsbesitzern) er Viehauftrieb auf den Gmeimgründen erlaubt. Neuansiedelung von Leerhäuslern auf öden Gründen war aber abhängig von der Zustimmung der der Gmein angehörigen Bauern. Geleitet wurde die Gmein von den Dorfführern (Vierern), die den Haupt- oder Obmann in seiner Tätigkeit unterstützten[42].

Kastner

Unter den übrigen herzoglichen Beamten ist noch der Kastner zu erwähnen. Sein Name leitetet sich von dem Getreidekasten (Kornspeicher) her, in welchem die Naturalienabgaben der Urbaruntertanen, d. h. der Bebauer der herzoglichen Eigengüter gesammelt wurden. Zu diesem Zweck waren besondere Kastenämter eingerichtet worden[43]. Wie oben bereits erwähnt gehörte Haidhausen zum Kastenamt Kirchheim, dem späteren Hofkastenamt München.

Grafschaft Ismaning

Am 10. September 1319 verlor des Landgericht Wolfratshausen den nördlichsten Teil seines Gebietes. An diesem Tage errichtete nämlich Kaiser Ludwig der Bayer die Grafschaft Ismaning [44] mit den Orten Ismaning, Ober- und Unterföhring, Englschalking, Daglfing und verkaufte sie mit dem Blutbann als ein vom Reiche ausgehendes Lehen um 100 Mark löthingen Silbers an das Hochstift Freising unter Bischof Konrad III., dem Sendlinger.

Bettelei

Ein überaus schwieriges Problem beschäftigte im 16., und 17. Jahrhundert und später Bevölkerung und Behörden: das Bettlerunwesen. Bei Sooeder lesen wier: "Weil die Not auf dem Lande vielfach größer, die Armenfürsorge weit ungenügender war, flüchteten die Landarmen in die reiche Herzogstadt mit ihnen Landstreicher jeder Art, Müßiggänger und arbeitsscheue Gesellen, Schwindler und Betrüger, die den Bettel, der für wirklich Bedürftige nicht als unehrenhaft galt, gewerbsmäßig betrieben. Wuchs schon mit der Zunahme der Bevölkerung durch plötzliche Kriege und verheerende Seuchen das Elend in der Stadt und die Zahl der wirklich Armen, wo wurde  diese sonderbaren Kostgänger der christlichen Mildtätigkeit die Bettelplage unerträglich". Die Stadt München half sich damit, daß sie die ansässigen Armen der Stadt kontingentierte und ihnen den Bettel von den Kirchen und auf öffentlichen Plätzen, nicht aber den Gassenbettel von Haus zu Haus erlaubte. Fremde , die in München Almosen heischten, wurden unnachsichtig ausgewiesen [45]. Sie zogen nun in die Umgebung und fielen dort der Bevölkerung zur Last. Herzogliche Erlasse wandten sich mit aller Schärfe gegen die "Quartierer, Stationierer und argwöhnischen starken Bettler", gegen die herrnlosen gartenden Knechte, Sterzer, Pettelr und Landstreicher" und drohten ihnen strengste Strafen, sogar Galeere und Strang an. Zugleich wurde die Nachlässigkeit der Beamten, die den Unfug nicht steuerten, streng gerügt und ihnen ungnädigste Ahndung in Aussicht gestellt[46]. Erfolge waren jedoch nicht festzustellen. "Die Lage der Dinge wurde mit jedem Jahre (am Ende des 16. Jahrhunderts) drangvoller und bedenklicher. Nicht nur ganze Horden abgedankter Landsknechte und gesunder Stationierer, sondern eine Menge der gefährlichsten sektischen Schwärmer durchzogen das Land, verbreiteten Mißvergnügen und Aufruhr gegen die Obrigkeit und veranlaßten die bösartigsten Gährungen des gemeinen Volks in und um Bayern. Zu diesen Übeln kamen die zahlreichen durch Liederlichkeiten aller Art, auch wohl durch Unglücksfälle, in den Bettelstab gekommenen Untertanen" [47] Ähnlich schlimme Verhältnisse herrschten auch unter der Regierung Maximilians I.[48].

Gericht ob der Au

Bei einer im Jahre 1609 durch die Hofräte Johann Balthasar udn Hans Viktor Lichtenauer in der Au, in Untergiesing und Haidhausen vorgenommenen Vistitation und Beschreibung ergab sich[49], "daß seit geraumer Zeit an diesen Orten ganz bedenkliche dem Gemeinwesen schädliche Unordnung, sowie sträfliche Laster eingerissen unsich von Jahr zu Jahr mehr ausgebreitet hatten". Von Wolfratshausen konnte dem Übel wegen der weiten Entfernung aber nicht abgeholfen werden. Darum wurde am 17. Mai 1610  versuchsweise die Jurisdiktion über die drei genannten Orte von Wolfratshausen abgetrennt und dem Hofoberberrichter in München übertragen. 1612 erfolgte die Errichtung des "Gerichts ob der Au". Die Steuereinhebung, die Musterungs- und Rüstgelder, die Aufschlagefälle und die Scharwerke beließ man jedoch bei Wolfratshausen. Dem Hofoberrichter Georg Hundt von Lauterbach erwuchs ein schweres Stück Arbeit in das herrschende "confusum chaos" Ordnung zu bringen. Schon nach einem halben Jahr zeigte sich aber, daß Rechtspflege und Verwaltung unmöglich von einander getrennt werden konnten. Für den Pfleger in Wolfratshausen war die Steuereintreibung bei dem Wechsel der Bevölkerung und wegen ihrer Armut außerordentlich erschwert. Manche Gefälle konnten auch nicht richtig eingeschätzt werden, weil der Betrieb von der Ferne nicht kontrollierbar war. Sollte der Pfleger mit Zwang und Strafe vorgehen, mußte er den strafenden Arm der Gerechtigkeit des Hofoberrichters in Anspruch nehmen. Wegen der Unhalbarkeit dieses Zustandes wurde der  Pfleger von Wolfratshausen auf sein Drängen am 17. Oktober 1610 vn der Steuereintreibung mit Ausnahme des Musterungs- und Rüstgeldes und der Scharwerke enbunden und diese Aufgabe auch dem Hofoberrichter übertragen. Es wurde ihm ein Gerichtsschreiber aus der Zahl der Hofkanzlisten zugeordnet. Die vereinnahmten Gelder durfte er aber keineswegs gleich an die zuständigen Münchner Amtskassen abführen, sondern hatte sie durch einen eigenen Boten nach Wolfratshausen zu schicken. Diese Verpflichtung erlosch erst unter Hofoberrichter Pistorini zu Anfang des 18. Jahrhunderts. Da erst erkannte man, daß man die Botenkosten auch einsparen könnte [50]. Bei dem Gerichte ob der Au verblieb Haidhausen bis zur Einrichtung der Hofmarkherschaft in diesem Ort. [51]

Fußnoten

  1. Karl Bosl: Bayern, Einleitung Seite XXV.
  2. Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns, I. Band, 3. Auflage, München 1916, S. 56
  3. Benno HubensteinerW, Bayerische Geschichte, 4. Auflage, München, S. 36.
  4. Gertrud DiepolderW, Die Orts- und "in Pago"-Benennungen im bayerischen Stammesherzogtum zur Zeit der Agilolfinger, in :ZBLG 11957, Band 20, Heft 2, S. 374.
  5. Sigmund von RiezlerW, Geschichte Baiern, I Bd. Gotha 1878, S. 848.
  6. Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns, I. Band, 3. Auflage, München 1916, S. 57
  7. Benno HubensteinerW, Bayerische Geschichte, 4. Auflage, München, S. 36.
  8. Hrsg.: Alois FinkW, Bilder aus der Bayerischen Geschichte, Nürnberg 1953, S. 59.
  9. Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns, I. Band, 3. Auflage, München 1916, S. 174/175.
  10. B. Hubersteiner , a.a. O., S.80.
  11. S. Riezler, a.a.O. S. 854
  12. Otto Stolz (Historiker)W, Das Wesen der Grafschaft im Raume Oberbayern, Tirol, Salzburg, in:  ZBLB 1949/15, S. 93 Edmund von OefeleW, Geschichte der Grafen von Andeschs, Innsbruck, 1877 S. 107, R. 1b.
  13. Freundliche Mitteilung von Herrn Der. Adolf Sandberger.
  14. Edmund von Oefele, a.a.O., S. 109, Regest 12, 13.
  15. Edmund von Oefele, Geschichte der Grafen von Andechs, 1877,  S. 110, Regest 23.
  16. S. Riezler, a.a.O., S.854/(855.
  17. S. Riezler, a.a.O., Seitre 854/855.
  18. Alexander Freiherr von Reitzenstein, Frühe Geschichte rund um München, München 1956, S. 34.
  19. B. Hubensteiner, a.a.O., S 102.
  20. Karl Heinrich Ritter von Lang, Baierns alte Grafschaften und Gebiete als Fortsetzung von Baiern Gauen urkundlich und geschichtlich nachgfewiesen, Nürnbert 1831, S. 25.
  21. "Bavaria". Landes- und Volkskunst des Königreichs Bayern, bearbeitet von einem Kreise bayerischer Gelehrter, erster Band, 1. Abt., München 1860, S. 630.
  22. Monumenta boica, Band XXXVIa, München 1852, S. 31.- Die dort angegenbene Entstehungszeit 1240 wird angezweifelt. Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns, I. Band, 3. Auflage, München 1916, S. 260) gibt nach Baumann (in Archival. Zeitschr. N.F. X, 35 f) das Jahr 1224 an; das wäre also noch während der Regierungszeit Herzog Ludwigs I. gewesen. Ihm widerspricht Hans Dachs in seiner Abhandlung "Zur Datierung des sog. Ältesten bayerischen Herzogsurbars" (ZBLG 14. Baqnd (1943/44) S. 413ff). Er gibt auf Grund von Urkundenbeweisen seiner Überzeugung Ausdruck, daß die Kodifizierung der Herzogl. Urbargüter erst in den ersten Regierungsjahren Herzog Ottos II. zw. 1231 u 1237 oder 1233 u. 1237 erfolgt sein kann.
  23. Mon. boica a.a.O., S. 282 nach Doberl, a.a.O., S. 260: v. Jahr 1270.
  24. Mon. boica, a.a.O., S 283: Heithausen curia tritici II modios, siligiginis V, avene VI, porcum ualentem XLVIII, denarios, anseres II, pullos IV, oua C. Interessant ist die dort angefügte Bemerkung: den hof hat Herzog Wilhelm (III. 1397/1435) abgewechselt den Pientzenawaern vmb den Zollhof ze Hägenberg.
  25. Nach dem historischen Ortsnamensbuch von Bayern, Landkreis Ebersberg von Karl Puchner.
  26. Soweit die angeführten Orte im heutigen Landkreis Ebersberg liegen konnten sie nach den genannten Ortsnamenbuch von Puchner bestimmt werden.
  27. Mon. Boic XXXVIb, S. 532
  28. Sebastian Hiereth, Die bayerische Gerichts- und Verwaltungsorganisation vom 13. bis zum 19. Jahrhundert (Historischen Atlas von Bayern, Teil Altbayern, Einführung), München 1950, S. 6.
  29. Seb. Hiereth, a.a.O., S. 13 u. Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns, I. Band, 3. Auflage, München 1916, S. 486.
  30. Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns, I. Band, 3. Auflage, München 1916, S. 260 u. 4386.
  31. B. Hubensteiner, a.a.O., S.104
  32. AStA: GL Wolfratshausen Nr. 1: "Granz- Güter- und Volksbeschreibungen des Churpfalzbaierisschen Landgerichts Wolfratshausen", 1. Band, fol 2 ff.
  33. Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns, I. Band, 3. Auflage, München 1916, S. 496. Ursprünglich fand das Gericht unter freiem Himmel statt. Der Gerichtsplatz war damals durch Geländer (Schranken, Schrannen) abgeschlossen. Schranne bedeutete also einen von einem Geländer umschlossenen Gerichtsraum, später das Gericht selbst.
  34. Seb. Hiereth, a.a.O., S. 17
  35. ASta: GL. Wolfratshausen Nr. 1, fol. 148 ff.
  36. ASta: GL. Wolfratshausen Nr. 1 fol. 306' ff.
  37. ASta: GL. Wolfratshausen Nr. 1 fol. 317' ff.
  38. ASTA: GL. Wolfratshausen Nr. 1 fol. 464' ff.
  39. StAMchn.: Mitteiungen für die Archivpflege in Obb., Nr. 9 (Januar 1942), von Dr. Lieberich.
  40. Sebastian Hiereth, Die Bildung der Gemeinden im Isarkreis nach den Gemeindeedicten von 1808 und 1818, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 77 Band (1952), S. 4
  41. Seb. Herreth, a.a.O., S. 20, Anm. 38 (Bildung der Gemeinden usw.).
  42. St AMchn: Dr. Lieberich, a.a.O.
  43. Seb. Hiereth, Die bayerischen Gerichts- und Verwaltungsorganisation usw., S.12.
  44. Histograph Benediktinerpater Karl MeichelbeckW, Historia Frisingensis, 1729,OPAC Tomus II, 1.Teil, S. 132: Freising erhielt Besitz "auf dem Rayn bei der Iser in den dörffern diu hernach geschriben sind, ze Obervergen, ze Nidernvergen, ze Engelschalching, ze Tagolfing und ze Ismanning". Bei der Beschreibung von Oberföhring behauptet F.P. Zauner in seinem Werk Münchens Umgebung in Kunst und Geschichte, München 1911, S. 306, daß auch Haidhausen mit den  übrigen zum Kastenamt Kirchheim gehörenden Orten der Grafschaft Ismaning zugeteilt worden wäre. Dies ist jedoch nicht richtig. Zauner unterlag vielmehr einer mißverständlichen Ausführung in "Bavaria" I 2, 630.
  45. Fridolin SollederW, München im Mittelalter, München und Berlin 1938, S. 388.
  46. Lorenz von Westenrieder, Beiträge zur vaterländischen Historie, Geographie, Statistik x, 8. Band, München 1806, S. 300.
  47. Westenrieder, a.a.O., S. 301
  48. Westenrieder, a.a.O., 302 f.
  49. Armenarzt und Hobby-Historiker Josef Freudenberger (1854-1928), Aus der Geschichte der Au- Die alte Au, München 1927, S. 178.
  50. Josef Freudenberger, Aus der Geschichte der Au- Die alte Au, München 1927, S. 179.
  51. Haidhausen bei Wolfratshausen in Walter Heerde, Haidhausen, Geschichte einer Münchner Vorstadt, in Achtundneunzigster Band, Oberbayerisches Archiv Herausgegeben vom Historischen Verein von Oberbayern, München 1977, Verlag des Historischen Vereins von Oberbayern Stadtarchiv, S. 20-27
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