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==Die Hauptsynagoge 1887-1938== | ==Die Hauptsynagoge 1887-1938== | ||
Die durch den Architekten [[Albert Schmidt]] entworfene und unter seiner Bauleitung enstandene Hauptsynagoge wurde an der [[Herzog-Max-Straße]] No. 7, an der Ecke mit der [[Maxburgstraße]], und der [[Kapellenstraße]] im [[Kreuzviertel]] errichtet. | Die durch den Architekten [[Albert Schmidt]] entworfene und unter seiner Bauleitung enstandene Hauptsynagoge wurde an der [[Herzog-Max-Straße]] No. 7, an der Ecke mit der [[Maxburgstraße]], und der [[Kapellenstraße]] im [[Kreuzviertel]] errichtet. 1880-1882 erwarb die Israelitsche Kultusgemeinde einen Teil des Bauplatzes von dem Bauuunternehmer Rasch, und einen Teil vom bayerischen Staat. Die Planungen für eine Synagoge gehen auf das Jahr 1878 zurück. In den Jahren 1884 bis 1887 wurde das Bauwerk errichtet. Zur rechten Seite (vom Gebäude aus links), wie auf dem Foto zu sehen, waren die Gebäude für die Rabbinerwohnung und Gemeinderäume im gleichen Stil wie die Synagoge errichtet worden. | ||
Am 8. Juni bis in den Juli [[1938]] wurden im Auftrag Hitlers die Abbrucharbeiten zwangsweise durchgeführt. Hitler soll den Anblick des Bauwerks angeblich nicht ertragen haben. Die Thorarollen konnten gerettet werden. Die jüdische Gemeinde wurde gezwungen, die Abrisskosten zu übernehmen. An ihrem ehemaligen Standort erinnert ein [[Gedenkstein an die ehemalige Hauptsynagoge München]] an die Zerstörung. | Am 8. Juni bis in den Juli [[1938]] wurden im Auftrag Hitlers die Abbrucharbeiten zwangsweise durchgeführt. Hitler soll den Anblick des Bauwerks angeblich nicht ertragen haben. Die Thorarollen konnten gerettet werden. Die jüdische Gemeinde wurde gezwungen, die Abrisskosten zu übernehmen. An ihrem ehemaligen Standort erinnert ein [[Gedenkstein an die ehemalige Hauptsynagoge München]] an die Zerstörung. | ||
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Am 7. Juni 1938 besucht Adolf Hitler eine Veranstaltung im Künstlerhaus, das nahe der Synagoge steht. Unmittelbar danach ordnet er den Abriss des jüdischen Gotteshaus an. Alfred Neumeyer schreibt rückblickend: "Am 8. Juni 1938 wurde ich zum Ministerium des Inneren vorgeladen (…) Es wurde mir von den Ministerialreferenten eröffnet, dass die Synagoge als Verkehrshindernis am nächsten Tage abgetragen werden müsse." Die Kultusgemeinde wird gezwungen, das Grundstück für lächerliche 100.000 Mark an die Stadt München zu verkaufen, die sich sofort daran macht, den Führerbefehl umzusetzen. | Am 7. Juni 1938 besucht Adolf Hitler eine Veranstaltung im Künstlerhaus, das nahe der Synagoge steht. Unmittelbar danach ordnet er den Abriss des jüdischen Gotteshaus an. Alfred Neumeyer schreibt rückblickend: "Am 8. Juni 1938 wurde ich zum Ministerium des Inneren vorgeladen (…) Es wurde mir von den Ministerialreferenten eröffnet, dass die Synagoge als Verkehrshindernis am nächsten Tage abgetragen werden müsse." Die Kultusgemeinde wird gezwungen, das Grundstück für lächerliche 100.000 Mark an die Stadt München zu verkaufen, die sich sofort daran macht, den Führerbefehl umzusetzen. | ||
Der Komponist und Sänger Emanuel Kirschner, geboren 1857, war Oberkantor der Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße, ehe er 1926 in den Ruhestand trat. Am 8. Juni 1938 aber bittet ihn Alfred Neumeyer, der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München, noch einmal in der Synagoge zu singen. Es würde das letzte Mal sein, denn am Morgen war Neumeyer mitgeteilt worden, dass der Prachtbau nahe der [[Maxburg]] am folgenden Tag abgerissen werde. | Der Komponist und Sänger Emanuel Kirschner, geboren 1857, war Oberkantor der Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße, ehe er 1926 in den Ruhestand trat. Am 8. Juni 1938 aber bittet ihn Alfred Neumeyer, der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München, noch einmal in der Synagoge zu singen. Es würde das letzte Mal sein, denn am Morgen war Neumeyer mitgeteilt worden, dass der Prachtbau nahe der [[Maxburg]] am folgenden Tag abgerissen werde. | ||
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und der zweite Teil von Psalm 74, Vers 8: | und der zweite Teil von Psalm 74, Vers 8: | ||
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Sicherungskopie der Quelle, falls die Seite nicht online ist: | Sicherungskopie der Quelle, falls die Seite nicht online ist: | ||
Nur ein paar hundert Meter vom Karlstor entfernt, gibt es folgendes Denkmal. Viel zu lange habe ich mich mit einem allgemeinen Eindruck von den darauf zu sehenden Inschriften zufrieden gegeben. Aber dann wollte ich es endlich genauer wissen. Und das ist dabei heraus gekommen: | Nur ein paar hundert Meter vom Karlstor entfernt, gibt es folgendes Denkmal. Viel zu lange habe ich mich mit einem allgemeinen Eindruck von den darauf zu sehenden Inschriften zufrieden gegeben. Aber dann wollte ich es endlich genauer wissen. Und das ist dabei heraus gekommen: | ||
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Alle Fotos dieser Seite: | Alle Fotos dieser Seite: | ||
Hans-Rudolf Hower 2002 | Hans-Rudolf Hower 2002 | ||
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Schreiben Sie uns Ihre Meinung zu unseren Übersetzungen und Deutungen. Qualifizierte Meinungen veröffentlichen wir gern, auch wenn wir sie nicht teilen sollten; hetzende, beleidigende, rechtsextreme, fremdenfeindliche und rassistische Äußerungen landen dagegen im Papierkorb. | Schreiben Sie uns Ihre Meinung zu unseren Übersetzungen und Deutungen. Qualifizierte Meinungen veröffentlichen wir gern, auch wenn wir sie nicht teilen sollten; hetzende, beleidigende, rechtsextreme, fremdenfeindliche und rassistische Äußerungen landen dagegen im Papierkorb. | ||
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Gedenke dies | Gedenke dies | ||
der Feind höhnte dich | der Feind höhnte dich | ||
74. Psalm | 74. Psalm | ||
Vers 18 | Vers 18 | ||
Althebräischer Text | Althebräischer Text | ||
Der Text im Davidstern entspricht dem ersten Teil von Psalm 74, 18. | Der Text im Davidstern entspricht dem ersten Teil von Psalm 74, 18. | ||
Übersetzung im Textzusammenhang (in Anlehnung an die „Züricher Bibel“ von 1942) | Übersetzung im Textzusammenhang (in Anlehnung an die „Züricher Bibel“ von 1942) | ||
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und vergiss nicht ewig des Lebens deiner Elenden! | und vergiss nicht ewig des Lebens deiner Elenden! | ||
Die Übersetzung von Vers 18 wurde von mir in Anlehnung an die „Züricher Bibel“ und unter Berücksichtigung des hebräischen Originals neu gestaltet, um den Satzzusammenhang besser sichtbar zu machen. | Die Übersetzung von Vers 18 wurde von mir in Anlehnung an die „Züricher Bibel“ und unter Berücksichtigung des hebräischen Originals neu gestaltet, um den Satzzusammenhang besser sichtbar zu machen. | ||
Kommentar | Kommentar | ||
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Die Schmähungen des Feindes werden hier in die Vergangenheit gelegt. Auch dadurch wird für den Passanten der Bezug zum vergangenen Holocaust nahe gelegt. | Die Schmähungen des Feindes werden hier in die Vergangenheit gelegt. Auch dadurch wird für den Passanten der Bezug zum vergangenen Holocaust nahe gelegt. | ||
Die Schmähungen des Feindes geschehen jetzt, in der Gegenwart, und der nächste Vers bittet um Errettung vor dem immer noch das Land besetzenden Feind. | Die Schmähungen des Feindes geschehen jetzt, in der Gegenwart, und der nächste Vers bittet um Errettung vor dem immer noch das Land besetzenden Feind. | ||
Durch die oben aufgezeigten Abweichungen vom hebräischen Original könnte die deutsche Übersetzung (und fälschlich rückschließend auch das hebräische Original) von weniger bibelkundigen Passanten als eine Aufforderung an das Volk Israel verstanden werden, nie die Schmähungen seiner Feinde zu vergessen. Das wäre eine aus der leidvollen Geschichte der europäischen Juden verständliche und gerechtfertigte, aber in diesem Psalm nicht gemeinte und für unsere gemeinsame Zukunft eher unproduktive Interpretation. | Durch die oben aufgezeigten Abweichungen vom hebräischen Original könnte die deutsche Übersetzung (und fälschlich rückschließend auch das hebräische Original) von weniger bibelkundigen Passanten als eine Aufforderung an das Volk Israel verstanden werden, nie die Schmähungen seiner Feinde zu vergessen. Das wäre eine aus der leidvollen Geschichte der europäischen Juden verständliche und gerechtfertigte, aber in diesem Psalm nicht gemeinte und für unsere gemeinsame Zukunft eher unproduktive Interpretation. | ||
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Wenn Sie Näheres zu den Argumenten erfahren wollen, die mich in Anlehnung an die „Züricher Bibel“ zu dieser Übersetzung und Interpretation geführt haben, klicken Sie bitte hier. | Wenn Sie Näheres zu den Argumenten erfahren wollen, die mich in Anlehnung an die „Züricher Bibel“ zu dieser Übersetzung und Interpretation geführt haben, klicken Sie bitte hier. | ||
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Originaltext (in althebräischer Sprache) | Originaltext (in althebräischer Sprache) | ||
Klicken Sie bei Bedarf auf das Foto, um es größer zu sehen. | Klicken Sie bei Bedarf auf das Foto, um es größer zu sehen. | ||
Kommentar | Kommentar | ||
Diese Inschrift enthält den vollständigen Wortlaut von Psalm 74, 7. | Diese Inschrift enthält den vollständigen Wortlaut von Psalm 74, 7. | ||
Sie nimmt den Inhalt einer anderen Inschrift des Gedenksteins wieder auf. | Sie nimmt den Inhalt einer anderen Inschrift des Gedenksteins wieder auf. | ||
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Klicken Sie bei Bedarf auf das Foto, um es größer zu sehen. | Klicken Sie bei Bedarf auf das Foto, um es größer zu sehen. | ||
Kommentar | Kommentar | ||
Die Inschrift wurde hier auf das verkürzt, worum es bei diesem Denkmal vorrangig geht: das Gedenken an die Zerstörung des Gotteshauses. Damit nimmt sie den Inhalt einer anderen Inschrift dieses Gedenksteins wieder auf. | Die Inschrift wurde hier auf das verkürzt, worum es bei diesem Denkmal vorrangig geht: das Gedenken an die Zerstörung des Gotteshauses. Damit nimmt sie den Inhalt einer anderen Inschrift dieses Gedenksteins wieder auf. | ||
Dass diese Zerstörung nur der Anfang einer wüsten Barbarei war, zeigt der nicht eingemeißelte erste Teil des Verses: Wenn der Versteil auch wissenschaftlich nicht völlig geklärt ist, scheint hier die Absicht des Feindes aufzuscheinen, das Volk Israel auszurotten. Dies erklärt, warum die bloße Andeutung von Versen des Psalms 74 für einen Juden die Erinnerung an den Holocaust herauf beschwören muss. | Dass diese Zerstörung nur der Anfang einer wüsten Barbarei war, zeigt der nicht eingemeißelte erste Teil des Verses: Wenn der Versteil auch wissenschaftlich nicht völlig geklärt ist, scheint hier die Absicht des Feindes aufzuscheinen, das Volk Israel auszurotten. Dies erklärt, warum die bloße Andeutung von Versen des Psalms 74 für einen Juden die Erinnerung an den Holocaust herauf beschwören muss. | ||
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