Austerlitz (Film): Unterschied zwischen den Versionen

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Der Film '''Austerlitz''' des ukrainischen Regisseurs ''Sergej Loznitsa'' von [[2016]] dreht sich um Informationen und Selfies zu den KZ-Gedenkstätten in [[KZ Dachau|Dachau]] und Sachsenhausen (bei Berlin). Er beleuchtet quasi die Mechanismen, Konstellationen und modernen Konventionen des Gedenkens - und am Ende der 90 Minuten Laufzeit stellt "Austerlitz" die Frage nach dem angemessenen Gedenken an die Opfer in den {{WKL2:Konzentrationslager|NS-Konzentrationslagern]] noch einmal neu und um Vieles differenzierter als am Anfang dieser Frage. Ob es wirklich nur ein Dokumentarfilm über die Formen des heutigen [[Tourismus]] ist oder doch eher ein Essay? Inspiriert wurde das Drehbuch durch das gleichnamige Buch des Schriftstellers {{WKL2:Winfried Georg Sebald}}  
Der Film '''Austerlitz''' des ukrainischen Regisseurs ''Sergej Loznitsa'' von [[2016]] dreht sich um Informationen und Selfies zu den KZ-Gedenkstätten in [[KZ Dachau|Dachau]] und Sachsenhausen (bei Berlin). Er beleuchtet quasi die Mechanismen, Konstellationen und modernen Konventionen des Gedenkens - und am Ende der 90 Minuten Laufzeit stellt "Austerlitz" die Frage nach dem angemessenen Gedenken an die Opfer in den {{WL2:Konzentrationslager|NS-Konzentrationslagern]] noch einmal neu und um Vieles differenzierter als am Anfang dieser Frage. Ob es wirklich nur ein Dokumentarfilm über die Formen des heutigen [[Tourismus]] ist oder doch eher ein Essay? Inspiriert wurde das Drehbuch durch das gleichnamige Buch des Schriftstellers {{WL2:Winfried Georg Sebald}}  


[[Datei:BesuchInDa.jpg|390px|thumb|? ''Besuch / Besichtigung'' im [[KZ Dachau]] ? <br>(Pressefoto dejaVu)]]  
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Ihre dokumentarische Methode in „Austerlitz“ ist sehr distanziert. Sie filmen aus der Entfernung, erst nach und nach engen Sie den Bildrahmen ein. Sie interviewen niemanden, Sie folgen auch nicht bestimmten Besuchern.
Ihre dokumentarische Methode in „Austerlitz“ ist sehr distanziert. Sie filmen aus der Entfernung, erst nach und nach engen Sie den Bildrahmen ein. Sie interviewen niemanden, Sie folgen auch nicht bestimmten Besuchern.
Ich biete dem Zuschauer an, sich seine eigene Meinung über das zu formen, was er sieht. Wir haben die Kamera nie versteckt. Sie war immer auf dem Stativ, ziemlich groß. Wir sind länger als üblich an einem Ort stehen geblieben. Ich wollte niemanden besonders hervorheben.
Ich biete dem Zuschauer an, sich seine eigene Meinung über das zu formen, was er sieht. Wir haben die Kamera nie versteckt. Sie war immer auf dem Stativ, ziemlich groß. Wir sind länger als üblich an einem Ort stehen geblieben. Ich wollte niemanden besonders hervorheben.
Warum?
Warum?
Ich wollte keinen Fokus, auch nicht auf lächerliches Verhalten. Die Sache ist immer komplizierter. Warum machen Leute dort Selfies? Manche Besucher sehen nur durch die Kamera auf das Lager, durch das sie durchgehen. Wie ein Psycho. Aber möglicherweise nutzen sie die Kamera als Schutz. Noch komplizierter wird es ja dadurch, dass wir keine Antwort auf die Frage haben, wie es möglich war, dass diese Verbrechen dort geschahen. Auf den ersten Blick scheint alles verstehbar und zugänglich zu sein. Alles liegt auf dem Tisch, die historischen Fakten. Aber wie es möglich war – das ist immer noch die Frage. Was macht man da? Ich weiß es nicht.
 
Ich wollte keinen Fokus, auch nicht auf lächerliches Verhalten. Die Sache ist immer komplizierter. Warum machen Leute dort Selfies?  
 
Manche Besucher sehen nur durch die Kamera auf das Lager, durch das sie durchgehen. Wie ein Psycho. Aber möglicherweise nutzen sie die Kamera als Schutz. Noch komplizierter wird es ja dadurch, dass wir keine Antwort auf die Frage haben, wie es möglich war, dass diese Verbrechen dort geschahen. Auf den ersten Blick scheint alles verstehbar und zugänglich zu sein. Alles liegt auf dem Tisch, die historischen Fakten.  
Aber wie es möglich war – das ist immer noch die Frage. Was macht man da? Ich weiß es nicht.
 
Kritik der Gedenkkultur
Kritik der Gedenkkultur
Der Dokumentarfilm „Austerlitz“ wurde nach dem Roman von W.G. Sebald benannt. In ihm werden Besucher mehrerer KZ-Gedenkstätten an sommerlichen Tagen beobachtet. In langen, statischen Einstellungen sieht der Film denjenigen zu, die sich dort in Strömen drängen, Fotos machen, auch Selfies.
Der Dokumentarfilm „Austerlitz“ wurde nach dem Roman von W.G. Sebald benannt. In ihm werden Besucher mehrerer KZ-Gedenkstätten an sommerlichen Tagen beobachtet. In langen, statischen Einstellungen sieht der Film denjenigen zu, die sich dort in Strömen drängen, Fotos machen, auch Selfies.


Austerlitz Dtl./Ukraine 2016. Buch und Regie: Sergei Loznitsa, Kamera: Sergei Loznitsa, Jesse Mazuch. 94 Minuten. S/W
Austerlitz Dtl./Ukraine 2016. Buch und Regie: Sergei Loznitsa, Kamera: Sergei Loznitsa, Jesse Mazuch. 94 Minuten. S/W


Gespräch mit den Publizisten Bert Rebhandl und Ekkehard Knörer im Anschluss an die Vorführung am 18.12., 15 Uhr. Kino fsk (Segitzdamm 2)
Gespräch mit den Publizisten Bert Rebhandl und Ekkehard Knörer im Anschluss an die Vorführung am 18.12., 15 Uhr. Kino fsk (Segitzdamm 2)
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Haben Sie keine Angst davor, dass Ihre Beobachtungsmethode vielleicht nicht abbilden kann, was in den Besuchern selbst passiert?
Haben Sie keine Angst davor, dass Ihre Beobachtungsmethode vielleicht nicht abbilden kann, was in den Besuchern selbst passiert?
Man kann nicht in jemanden anderen hineinschlüpfen. Aber es gibt einen sehr interessanten Fund in den Neurowissenschaften: Wir haben sogenannte Spiegelneuronen, die in uns auf vielfältige Weisen arbeiten. Ich nutze diese Idee auch. Wenn man verstehen will, was eine andere Person denkt, dann müssen Sie diese nur lange beobachten – in Ihrem Gehirn werden all diese Gedankenzonen durch das Verhalten dieser Person berührt. Ihr Verständnis der anderen Peron wird viel tiefer sein, als wenn jemand nur zu Ihnen gesprochen hätte. Das ist die Methode. Wenn man die Geduld hat, zu observieren, dann wird sich aus der Beobachtung selbst Verstehen ergeben: aus Gesichtern, Verhalten, bestimmten Bewegungen, Gesten. Meinungen sind dagegen nichtssagend.
Man kann nicht in jemanden anderen hineinschlüpfen. Aber es gibt einen sehr interessanten Fund in den Neurowissenschaften: Wir haben sogenannte Spiegelneuronen, die in uns auf vielfältige Weisen arbeiten. Ich nutze diese Idee auch. Wenn man verstehen will, was eine andere Person denkt, dann müssen Sie diese nur lange beobachten – in Ihrem Gehirn werden all diese Gedankenzonen durch das Verhalten dieser Person berührt. Ihr Verständnis der anderen Peron wird viel tiefer sein, als wenn jemand nur zu Ihnen gesprochen hätte. Das ist die Methode. Wenn man die Geduld hat, zu observieren, dann wird sich aus der Beobachtung selbst Verstehen ergeben: aus Gesichtern, Verhalten, bestimmten Bewegungen, Gesten. Meinungen sind dagegen nichtssagend.
Warum haben Sie nicht nur eine Gedenkstätte gezeigt? Als Zuschauer kann man die Orte schwer unterscheiden.
Warum haben Sie nicht nur eine Gedenkstätte gezeigt? Als Zuschauer kann man die Orte schwer unterscheiden.
An manchen der Orte gab es Krematorien, an anderen Baracken oder besondere Gefängniszellen. Für unsere Herangehensweise hat es keine Rolle gespielt, wo das war. Es war die gleiche Funktion, die gleiche Aktion, die gleiche Bewegung. Ravensbrück, Neuengamme, Dora-Mittelbau, Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Sachsenhausen. Am Ende haben wir nur zwei ausgewählt. Sie ähneln sich in den Besucherströmen. Bergen-Belsen, das abseits der Haupttouristenpfade liegt, und vielleicht nur 30 Besucher am Tag hat. Es gibt dort nur wenige Spuren, nur ein Memorial, ohne Stacheldraht, mit Fotos von 1945. Sachsenhausen lädt einen im Unterschied dazu ein, alles Mögliche zu sehen. In der jüdischen Kunsttradition gibt es das Verbot, menschliche Figuren abzubilden. Manchmal denke ich, dass es auch verboten sein sollte, etwas ganz zu zeigen. Wenn man die Vorstellungskraft adressiert, ist die Wirkung viel stärker.
 
An manchen der Orte gab es Krematorien, an anderen Baracken oder besondere Gefängniszellen. Für unsere Herangehensweise hat es keine Rolle gespielt, wo das war. Es war die gleiche Funktion, die gleiche Aktion, die gleiche Bewegung. Ravensbrück, Neuengamme, Dora-Mittelbau, Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Sachsenhausen. Am Ende haben wir nur zwei ausgewählt. Sie ähneln sich in den Besucherströmen. Bergen-Belsen, das abseits der Haupttouristenpfade liegt, und vielleicht nur 30 Besucher am Tag hat. Es gibt dort nur wenige Spuren, nur ein Memorial, ohne Stacheldraht, mit Fotos von 1945. Sachsenhausen lädt einen im Unterschied dazu ein, alles Mögliche zu sehen.  
 
In der jüdischen Kunsttradition gibt es das Verbot, menschliche Figuren abzubilden. Manchmal denke ich, dass es auch verboten sein sollte, etwas ganz zu zeigen. Wenn man die Vorstellungskraft adressiert, ist die Wirkung viel stärker.
 
Die Bilder der Touristen, die aus den Lagern in „Austerlitz“ strömen, könnte man sich rückwärts denken.
Die Bilder der Touristen, die aus den Lagern in „Austerlitz“ strömen, könnte man sich rückwärts denken.
Die Lager und die Idee der industriellen Vernichtung haben eine direkte Verbindung zur industriellen Welt, zum Kapitalismus. Heute ist es zu einer touristischen Fabrik geworden.
Die Lager und die Idee der industriellen Vernichtung haben eine direkte Verbindung zur industriellen Welt, zum Kapitalismus. Heute ist es zu einer touristischen Fabrik geworden.
– Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/25294304 ©2016
– Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/25294304 ©2016
-->2016
-->2016
** [http://www.moviepilot.de/movies/austerlitz--2 Bei moviepilot.de] (Bilder, Trailer)
** [http://www.moviepilot.de/movies/austerlitz--2 Bei moviepilot.de] (Bilder, Trailer)
** ''"schlicht Destinationen?"'' - Ulf Lepelmeier: [http://www.zeit.de/kultur/film/2016-12/austerlitz-film-sergei-loznitsa-vergangenheit-gedenken in Zeit.de] vom 13. Dezember 2016
** ''"schlicht Destinationen?"'' - Ulf Lepelmeier: [http://www.zeit.de/kultur/film/2016-12/austerlitz-film-sergei-loznitsa-vergangenheit-gedenken in Zeit.de] vom 13. Dezember 2016
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===Kinostarts===
===Kinostarts===

Version vom 17. Dezember 2016, 17:57 Uhr

Der Film Austerlitz des ukrainischen Regisseurs Sergej Loznitsa von 2016 dreht sich um Informationen und Selfies zu den KZ-Gedenkstätten in Dachau und Sachsenhausen (bei Berlin). Er beleuchtet quasi die Mechanismen, Konstellationen und modernen Konventionen des Gedenkens - und am Ende der 90 Minuten Laufzeit stellt "Austerlitz" die Frage nach dem angemessenen Gedenken an die Opfer in den {{WL2:Konzentrationslager|NS-Konzentrationslagern]] noch einmal neu und um Vieles differenzierter als am Anfang dieser Frage. Ob es wirklich nur ein Dokumentarfilm über die Formen des heutigen Tourismus ist oder doch eher ein Essay? Inspiriert wurde das Drehbuch durch das gleichnamige Buch des Schriftstellers Vorlage:WL2:Winfried Georg Sebald

? Besuch / Besichtigung im KZ Dachau ?
(Pressefoto dejaVu)

Techn. Angaben:

  • Film, Deutschland, 2016, Buch und Regie: Vorlage:WKL2:Sergej Loznitsa
    • Länge: 94 Minuten
    • Kamera: Sergej Loznitsa, Jesse Mazuch
    • Sound Design: Vladimir Golovnitski
    • Schnitt: Danielius Kokanauskis
    • FSK: Ohne Altersbeschränkung
    • Start: 15. Dezember 2016
    • Produktion: Imperativ Film, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM), German Federal Film Board
    • Verleih: Déjà-vu Film, Hamburg
    • Herstellungsleitung: Kirill Krasovskiy

Weblinks

Kinostarts

Siehe auch:

  • YouTube-Dokumentation der Regisseure Sagi Bornstein und Udi Nir (vom Bayrischen Rundfunk betreute Dokumentation #Uploading_Holocaust )