Michael Siegel: Unterschied zwischen den Versionen

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Der (jüdische) Rechtsanwalt '''Dr. Michael Siegel''' (14. September [[1882]] in Arnstein 15. März [[1979]] in Lima) arbeitete [[1933]] als Anwalt in [[München]]. Weltweit bekannt sind Fotos, wie er in München öffentlich gedemütigt worden ist.
Der jüdische Rechtsanwalt Dr. '''Michael Siegel''' (* 14. September [[1882]] in Arnstein; † 15. März [[1979]] in Lima) arbeitete [[1933]] als Anwalt in [[München]]. Weltweit bekannt sind Fotos, die zeigen, wie er in München öffentlich gedemütigt worden ist.


Er machte 1902 das Abitur an einem Gymnasium in Schweinfurt. Anschließend studierte er bis 1906 Jura an der [[Ludwig-Maximilians-Universität]] München. 1907 wurde er hier promoviert. Zusammen mit seinem Vetter, Dr. Julius Siegel, führte er eine bekannte, von seinem Onkel, Leopold Siegel, in den 1890er Jahren in der [[Weinstraße]] 11 gegründete Kanzlei.
Er machte 1902 das Abitur an einem Gymnasium in Schweinfurt. Anschließend studierte er bis 1906 Jura an der [[Ludwig-Maximilians-Universität]] München. 1907 wurde er hier promoviert. Zusammen mit seinem Vetter, Dr. Julius Siegel, führte er eine bekannte, von seinem Onkel, Leopold Siegel, in den 1890er Jahren in der [[Weinstraße]] 11 gegründete Kanzlei.


== Das Foto von ihm am 10. März 1933 ==
== Das Foto von ihm am 10. März 1933 ==
Im Auftrag seines Mandanten [[Max Uhlfelder]], dem Inhaber des [[Kaufhaus Uhlfelder]] ging Siegel am 10. März 1933 zur Hauptpolizeiwache, um eine Anzeige aufzugeben, da am Vorabend von den NS-Sturmtrupplern der sog. SS die Fenster seines bekannten Geschäftes zerstört worden waren. Uhlfelder war ins [[KZ Dachau]] verschleppt worden. Siegel wurde in der Wache von der SS (sie waren zu Hilfspolizisten ernannt worden) in den Keller gebracht und so mißhandelt, dass ihm Zähne aus dem Mund fielen und das Trommelfell platzte. Danach zerschnitt man seine Hose, und er wurde von der SS barfuß mit einem großen Schild um den Hals durch die Münchner [[Altstadt|Innenstadt]] getrieben.  
Im Auftrag seines Mandanten Max Uhlfelder, dem Inhaber des [[Kaufhaus Uhlfelder]], ging Siegel am 10. März 1933 zur Hauptpolizeiwache, um eine Anzeige aufzugeben, da am Vorabend von den NS-Sturmtrupplern, der sog. SS, die Fenster des bekannten Geschäftes zerstört worden waren. Uhlfelder selbst war ins [[KZ Dachau]] verschleppt worden. Siegel wurde in  
 
der Wache von der SS (sie waren zu Hilfspolizisten ernannt worden) in den Keller gebracht und so misshandelt, dass ihm Zähne aus dem Mund fielen und ein Trommelfell platzte. Danach zerschnitt man seine Hose, und er wurde von der SS barfuß mit einem großen Schild um den Hals durch die Münchner [[Altstadt|Innenstadt]] getrieben.  
::Auf dem Schild stand ''„Ich werde mich nie mehr bei der Polizei beschweren“''  
::Auf dem Schild stand ''„Ich werde mich nie mehr bei der Polizei beschweren“''.
 


Diese Bilder werden auch heute noch in Medien – wie zum Beispiel in Schulbüchern, der Ausstellung im [[NS-Dokumentationszentrum]] und im Fernsehen – als Dokumente des Antisemitismus und der sofort einsetzenden Judenverfolgung gezeigt.
Diese Bilder werden auch heute noch in Medien – wie zum Beispiel in Schulbüchern, der Ausstellung im [[NS-Dokumentationszentrum]] und im Fernsehen – als Dokumente des Antisemitismus und der sofort einsetzenden Judenverfolgung gezeigt.
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1920 heiratete er Mathilde Waldner. Aus der Ehe gingen die Kinder Hans-Peter (1921–2010) und Maria Beate (* 1925) hervor. Die Familie lebte von 1920 bis 1939 in der Possartstraße im Münchner Stadtteil Bogenhausen. Am 17. Januar 1939 mussten sie in eine Sammelwohnung für enteignete Juden ("[[Judenhaus]]") in der Lindwurmstraße 125 ziehen, der letzten Adresse der Israelitischen Kultusgemeinde München. Im gleichen Jahr emigrierten beide Kinder nach England. Die Tochter Beate mit einem [[Kindertransport]] und der Sohn Hans-Peter mit einem Studienvisum.
Durch Zufall erhielten Michael Siegel und seine Frau Visa für Peru, da ihr Spanischlehrer, den sie zur Vorbereitung der Emigration aufsuchten, der Neffe des peruanischen Innenministers war.
Im August 1940 verließ Michael Siegel mit seiner Frau Deutschland von Berlin aus mit der [[Transsibirische Eisenbahn|Transsibirischen Eisenbahn]] über Moskau, Nowosibirsk, Omsk, Harbin nach Korea und Japan über den Pazifischen Ozean um dann über Los Angeles nach [[Peru]] zu kommen.
== Das Foto ==
[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1971-006-02, München, Judenverfolgung, Michael Siegel.jpg|miniatur|Barfüßiger jüdischer Rechtsanwalt Dr. Michael Siegel unter [[Schutzstaffel|SS]]-Bewachung mit einem Schild (''„Ich werde mich nie mehr bei der Polizei beschweren“'') über den Münchner [[Stachus]] laufend]]
Durch zwei Fotografien vom 10. März 1933 wurde der jüdische Rechtsanwalt Michael Siegel weltweit bekannt, als er in [[München]] von [[SS-Mann|SS-Truppen]] von der Ettstraße, über die Kaufinger-/Neuhauserstraße über den [[Stachus]] und von dort über die Prielmayerstraße zum Hauptbahnhof getrieben wurde.
Als Fotograf gab sich in einem Zeitzeugengespräch vom 18. April 1983 der Berufsfotograf Heinrich Sanden zu erkennen.<ref>Abdruck des von Diethart Krebs und Brigitte Walz-Richter geführten Tonbandinterviews in: Kerbs, Diethart u.a. (Hg.): ''Die Gleichschaltung der Bilder. Pressefotografie 1930-36.'' Berlin 1983, S. 122&nbsp;ff.</ref> Heinrich Sanden stellt die Vorgänge wie folgt dar: Er benutzte eine Rollenfilmkamera mit einer 9×12-Fotoplatte. Als er die beiden Fotos den lokalen Zeitungen anbot, lehnten es diese ab, die Bilder zu veröffentlichen. Da er selbst befürchtete, wegen der Bilder in Gefahr zu geraten, entschied er sich, die photographischen Platten loszuwerden. Er telefonierte mit der amerikanischen Presseagentur [[International News Photographic Service]], welche eine Niederlassung in Berlin hatte, verkaufte die Negative an diese und sandte sie sofort nach Berlin. Von dort aus wurden die Bilder nach [[Washington D.C.]] geschickt. Am 23. März 1933 veröffentlichte die [[The Washington Times|Washington Times]] die Bilder zum ersten Mal auf ihrer Titelseite.
Dagegen steht die Aussage von Michael Siegel, wonach ihn am Hauptbahnhof, als er in ein Taxi stieg, ein englisch sprechender Journalist (Engländer oder Amerikaner) angesprochen und über die Anfertigung der Fotos informiert habe, die er veröffentlichen wolle (überliefert in Zeitzeugeninterviews mit der Tochter Michael Siegels sowie in einem von Michael Siegels Bruder Siegmund autorisierten Typoskript im Stadtarchiv München).
Die Bilder werden auch heute noch in den Medien – wie zum Beispiel in Schullehrbüchern, Ausstellungen und im Fernsehen – als Dokumente der [[Antisemitismus (bis 1945)#Nationalsozialismus|Judenverfolgung]] gezeigt.
Hein weist darauf hin, dass die Täter der SS unter dem damaligen Polizeipräsidenten [[Heinrich Himmler]] angehört hätten und nicht wie bis vor kurzen noch fälschlich behauptet der [[Sturmabteilung|SA]]. Mittlerweile wurde auch die entsprechenden Bilder der digitalisierten Datenbank des [[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchivs]] dahingehend korrigiert.<ref>Bastian Hein: ''Elite für Volk und Führer? Die Allgemeine SS und ihre Mitglieder 1925-1945'', Oldenbourg, München 2012, S. 75.</ref>
== Vorgeschichte ==
Im Auftrag seines Mandanten [[Max Uhlfelder]], dem Inhaber des [[Kaufhaus Uhlfelder]], der ebenfalls Jude war, ging Michael Siegel zur Hauptpolizeiwache, um eine Anzeige aufzugeben, da am Vorabend von den NS-[[Sturmtruppe]]n die Fenster des Ladens zerstört worden waren. Dort angekommen, wurde er von der SS in den Keller gebracht und so stark verprügelt, dass ihm sogar einige Zähne herausfielen und das Trommelfell platzte. Danach zerschnitt man seine Hose, und er wurde von der SS barfüßig mit einem großen Schild um den Hals hängend auf dem stand ''„Ich werde mich nie mehr bei der Polizei beschweren“'' durch die Münchner Innenstadt gehetzt.


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==Die Flucht==
==Die Flucht==
Im August 1940 konnte er von Berlin mit der Trans-Sib über Moskau, Novosibirsk, Omsk, Harbin und Korea, Japan nach Los Angeles und von dort nach Peru lebend entkommen. Dass er ein Visum bekam war relativ zufällig und ungewöhnlich in jenen Wochen.
Im August 1940 konnte er von Berlin mit der Trans-Sib über Moskau, Novosibirsk, Omsk, Harbin, Korea und Japan nach Los Angeles und von dort nach Peru lebend entkommen. Dass er ein Visum bekam war relativ zufällig und ungewöhnlich in jenen Wochen.


== Auszeichnung ==
== Auszeichnung ==
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* [http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/DE_MU_JU_siegel.pdf Zwei Photos machen Geschichte. Der 10.3.1933 im Leben des Dr. Michael Siegel], als PDF-Datei
* [http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/DE_MU_JU_siegel.pdf Zwei Photos machen Geschichte. Der 10.3.1933 im Leben des Dr. Michael Siegel], als PDF-Datei
* [http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/DE_MU_JU_sinclair_peter.pdf Von Siegel zu Sinclair: Eine jüdische Familiengeschichte unserer Zeit], als PDF-Datei
* [http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/DE_MU_JU_sinclair_peter.pdf Von Siegel zu Sinclair: Eine jüdische Familiengeschichte unserer Zeit], als PDF-Datei
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Version vom 21. Oktober 2015, 07:54 Uhr

Der jüdische Rechtsanwalt Dr. Michael Siegel (* 14. September 1882 in Arnstein; † 15. März 1979 in Lima) arbeitete 1933 als Anwalt in München. Weltweit bekannt sind Fotos, die zeigen, wie er in München öffentlich gedemütigt worden ist.

Er machte 1902 das Abitur an einem Gymnasium in Schweinfurt. Anschließend studierte er bis 1906 Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1907 wurde er hier promoviert. Zusammen mit seinem Vetter, Dr. Julius Siegel, führte er eine bekannte, von seinem Onkel, Leopold Siegel, in den 1890er Jahren in der Weinstraße 11 gegründete Kanzlei.

Das Foto von ihm am 10. März 1933

Im Auftrag seines Mandanten Max Uhlfelder, dem Inhaber des Kaufhaus Uhlfelder, ging Siegel am 10. März 1933 zur Hauptpolizeiwache, um eine Anzeige aufzugeben, da am Vorabend von den NS-Sturmtrupplern, der sog. SS, die Fenster des bekannten Geschäftes zerstört worden waren. Uhlfelder selbst war ins KZ Dachau verschleppt worden. Siegel wurde in der Wache von der SS (sie waren zu Hilfspolizisten ernannt worden) in den Keller gebracht und so misshandelt, dass ihm Zähne aus dem Mund fielen und ein Trommelfell platzte. Danach zerschnitt man seine Hose, und er wurde von der SS barfuß mit einem großen Schild um den Hals durch die Münchner Innenstadt getrieben.

Auf dem Schild stand „Ich werde mich nie mehr bei der Polizei beschweren“.

Diese Bilder werden auch heute noch in Medien – wie zum Beispiel in Schulbüchern, der Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum und im Fernsehen – als Dokumente des Antisemitismus und der sofort einsetzenden Judenverfolgung gezeigt.

Die Flucht

Im August 1940 konnte er von Berlin mit der Trans-Sib über Moskau, Novosibirsk, Omsk, Harbin, Korea und Japan nach Los Angeles und von dort nach Peru lebend entkommen. Dass er ein Visum bekam war relativ zufällig und ungewöhnlich in jenen Wochen.

Auszeichnung

Im September 1971 erhielt Michael Siegel das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland anlässlich seines 89. Geburtstages in Anerkennung seiner Dienste zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen der deutsch-jüdischen Flüchtlingsgemeinschaft in Lima und der deutschen Nachkriegsrepublik und auch für seine Verdienste als juristischer Berater der deutschen Botschaft in Peru in Bezug auf das peruanische Recht.

Weblinks

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