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'''Ernst Oskar Ludwig Woltereck''' (* [[2. März]] [[1874]] in Breslau, Provinz Schlesien; † [[1951]]) war ein deutscher politischer Funktionär (NSDAP). Er war eine führende Figur in der [[München]]er NSDAP in den Jahren 1925 und 1926. | |||
'''Ernst Oskar Ludwig Woltereck''' (* [[2. März]] [[1874]] in | |||
== Leben und Tätigkeit == | == Leben und Tätigkeit == | ||
=== Frühes Leben === | === Frühes Leben === | ||
Woltereck war lange Jahre als Abteilungsvorstand bei der [[Münchener | Woltereck war lange Jahre als Abteilungsvorstand bei der [[Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft]] tätig. | ||
Einem Bericht des Propaganda-Flugblatts '' | Einem Bericht des Propaganda-Flugblatts ''Nachrichten für die Truppe'' aus der Zeit des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] zufolge war Woltereck während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] Ausbildungsoffizier für die Freiwilligen des Reserve-Infanterie-Regiments 16 und soll er in dieser Eigenschaft Adolf Hitler 1914 den „ersten Schliff beigebracht“ haben. | ||
=== Tätigkeit in der GVG === | === Tätigkeit in der GVG === | ||
1924 beteiligte sich Woltereck an der Gründung der | 1924 beteiligte sich Woltereck an der Gründung der Großdeutschen Volksgemeinschaft (GVG), eine der Ersatzorganisationen für die nach dem Fehlschlag des Hitlerputsches im November 1923 verbotene Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Von Juli 1924 bis Februar 1925 amtierte Woltereck als Vorsitzender der GVG-Sektion [[Schwabing]]. Zusätzlich stand er der gesamten GVG-Ortsgruppe München vor, bis [[Hermann Esser]] im August 1924 diesen Posten übernahm. In den völkischen Kreisen der Stadt erfreute sich Woltereck seit dieser Zeit eines besonderen Ansehens. | ||
Bei der Münchener Kommunalwahl des Jahres 1924 stand Woltereck zunächst auf dem vierten Listenplatz der GVG, wurde dann aber durch | Bei der Münchener Kommunalwahl des Jahres 1924 stand Woltereck zunächst auf dem vierten Listenplatz der GVG, wurde dann aber durch Christian Weber auf den fünften Platz verdrängt. Nur die ersten drei Kandidaten der GVG zogen in den Stadtrat ein. Nachdem einer der Gewählten 1926 als Stadtrat zurücktrat, plädierten Teile der Reichsleitung der NSDAP dafür, Woltereck auf den freiwerdenden Stadtratplatz aufrücken zu lassen, es gelang Weber aber erneut, sich durchzusetzen, so dass er anstelle von Woltereck in den Stadtrat einzog. | ||
=== Tätigkeit in der NSDAP (1925/1926) === | === Tätigkeit in der NSDAP (1925/1926) === | ||
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In dieser Stellung war Woltereck für die administrative Leitung der Sektion, für die Leitung ihrer Vereinsabende und für die von ihr geleistete Propagandaarbeit zuständig. Zudem leitete er damals zahlreiche größere politische Versammlungen der NSDAP in Versammlungsstätten in Schwabing wie dem Restaurant ''Zur Blüte'' und im ''Alten Hackerbräu'', bei denen öfter Hitler selbst und führende Parteifunktionäre wie Wolterecks persönlicher Freund Hermann Esser auftraten. Woltereck galt während dieser Jahre zudem selbst als einer der bedeutendsten Parteiredner der NSDAP in München. | In dieser Stellung war Woltereck für die administrative Leitung der Sektion, für die Leitung ihrer Vereinsabende und für die von ihr geleistete Propagandaarbeit zuständig. Zudem leitete er damals zahlreiche größere politische Versammlungen der NSDAP in Versammlungsstätten in Schwabing wie dem Restaurant ''Zur Blüte'' und im ''Alten Hackerbräu'', bei denen öfter Hitler selbst und führende Parteifunktionäre wie Wolterecks persönlicher Freund Hermann Esser auftraten. Woltereck galt während dieser Jahre zudem selbst als einer der bedeutendsten Parteiredner der NSDAP in München. | ||
In den Jahren 1925 und 1926 spielten die Münchener Sektionen eine große Rolle im Innenleben der NSDAP. Grund hierfür war, dass die Partei unmittelbar nach ihrer Neugründung einen starken Schwerpunkt in der Stadt hatte, bis es ihr allmählich gelang, sich regional und dann landesweit auszudehnen. Die von Woltereck geleitete Sektion Schwabing war dabei die mitgliederstärkste der gesamten | In den Jahren 1925 und 1926 spielten die Münchener Sektionen eine große Rolle im Innenleben der NSDAP. Grund hierfür war, dass die Partei unmittelbar nach ihrer Neugründung einen starken Schwerpunkt in der Stadt hatte, bis es ihr allmählich gelang, sich regional und dann landesweit auszudehnen. Die von Woltereck geleitete Sektion Schwabing war dabei die mitgliederstärkste der gesamten NSDAP-Ortsgruppe München und galt mithin als deren „tragende Säule“. Da die Münchener Ortsgruppe keinen Vorsitzenden hatte, sondern direkt Hitler als Parteivorsitzendem unterstellt war, waren auch die Führer der Sektionen ihm direkt unterstellt. | ||
Woltereck nahm nicht nur aufgrund seiner Stellung als Sektionsvorsitzender der Parteisektion Schwabing eine exponierte und einflussreiche Stellung in der NSDAP der Jahre 1925 und 1926 ein, sondern auch weil seine Sektion mit Abstand die meisten Spenden für die Partei in der Hauptstadt einwarb und die Tätigkeit der Geschäftsstelle der Reichsleitung der NSDAP dadurch erheblich finanziert wurde. Laut | Woltereck nahm nicht nur aufgrund seiner Stellung als Sektionsvorsitzender der Parteisektion Schwabing eine exponierte und einflussreiche Stellung in der NSDAP der Jahre 1925 und 1926 ein, sondern auch weil seine Sektion mit Abstand die meisten Spenden für die Partei in der Hauptstadt einwarb und die Tätigkeit der Geschäftsstelle der Reichsleitung der NSDAP dadurch erheblich finanziert wurde. Laut Mathias Röschs Forschungen war die Sektion Schwabing 1925 und 1926 eine „bedeutende finanzielle Stütze der Reichsleitung“ der NSDAP. | ||
Auch die von der Stadt München herausgegebene Dokumentation ''München, 'Hauptstadt der Bewegung'. Bayerns Metropole und der Nationalsozialismus'' von 1993 hält fest, dass Woltereck die Sektion Schwabing während der Jahre nach ihrer Gründung „entscheidend prägte“.<ref>S. 18.</ref> | Auch die von der Stadt München herausgegebene Dokumentation ''München, 'Hauptstadt der Bewegung'. Bayerns Metropole und der Nationalsozialismus'' von 1993 hält fest, dass Woltereck die Sektion Schwabing während der Jahre nach ihrer Gründung „entscheidend prägte“.<ref>S. 18.</ref> | ||
Nachdem Woltereck sich im Sommer 1925 gemeinsam mit dem 2. Vorsitzenden der Sektion Schwabing, Scherbauer, wegen verschiedener Angelegenheiten monatelang vergeblich um eine sofortige Unterredung mit Hitler bemüht hatten, trat er zusammen mit dem gesamten Schwabinger Sektionsvorstand zurück. Woltereck hatte zuvor kritisiert, dass es unmöglich sei, „die Gedanken und Ideen eines Führers in die Masse zu tragen, wenn man mit dem Führer keine Fühlung“ habe. Hitler initiierte daraufhin binnen weniger Tage zwei versöhnliche Aussprachen, in denen er Woltereck nicht nur für die Treue während seiner Haft in der | Nachdem Woltereck sich im Sommer 1925 gemeinsam mit dem 2. Vorsitzenden der Sektion Schwabing, Scherbauer, wegen verschiedener Angelegenheiten monatelang vergeblich um eine sofortige Unterredung mit Hitler bemüht hatten, trat er zusammen mit dem gesamten Schwabinger Sektionsvorstand zurück. Woltereck hatte zuvor kritisiert, dass es unmöglich sei, „die Gedanken und Ideen eines Führers in die Masse zu tragen, wenn man mit dem Führer keine Fühlung“ habe. Hitler initiierte daraufhin binnen weniger Tage zwei versöhnliche Aussprachen, in denen er Woltereck nicht nur für die Treue während seiner Haft in der Festung Landsberg und für den mustergültigen Ausbau der Sektion Schwabing dankte, sondern ihm auch zusicherte, dass er jederzeit ohne Mittelsmann zu ihm kommen könne. Daraufhin kehrten Woltereck und die übrigen Schwabinger wieder in ihre Ämter zurück. | ||
Rösch zufolge führten der Erfolg und die Bedeutung seiner Sektion, wie auch die „sektionsinterne Verehrung als charismatischer Führer“, die die Sektionsmitglieder ihm entgegenbrachten, in Verbindung miteinander sowie mit den Ereignissen um den kurzzeitigen Rücktritt des Schwabinger Sektionsvorstandes im September 1925 dazu, dass Wolterecks Selbstbewusstsein sich gewaltig steigerte und dass er zu glauben begann, dass er einen besonderen Einfluss auf Hitler besitze. Demzufolge habe er Anerkennung durch die Parteiöffentlichkeit verlangt (Woltereck: „für diese Leute existiert nur Hitler, die Bewegung kennen sie nicht.“). Nach Röschs Forschung bemühte Hitler sich in der Folgezeit auch intensiv um Woltereck, „lobte und ermunterte ihn und vermied jeden harten oder autoritären Ton“, wie er in späteren Jahren bei Auseinandersetzungen mit Münchener Parteiführern zu tun pflegen sollte. Als Grund hierfür machte Rösch aus, dass Hitlers Position als Parteiführer zu diesem Zeitpunkt sehr fragil, seine Autorität innerhalb der Partei noch nicht überall unhinterfragt anerkannt und seine Hausmacht aufgrund anderer Ereignisse damals stark erschüttert war. | Rösch zufolge führten der Erfolg und die Bedeutung seiner Sektion, wie auch die „sektionsinterne Verehrung als charismatischer Führer“, die die Sektionsmitglieder ihm entgegenbrachten, in Verbindung miteinander sowie mit den Ereignissen um den kurzzeitigen Rücktritt des Schwabinger Sektionsvorstandes im September 1925 dazu, dass Wolterecks Selbstbewusstsein sich gewaltig steigerte und dass er zu glauben begann, dass er einen besonderen Einfluss auf Hitler besitze. Demzufolge habe er Anerkennung durch die Parteiöffentlichkeit verlangt (Woltereck: „für diese Leute existiert nur Hitler, die Bewegung kennen sie nicht.“). Nach Röschs Forschung bemühte Hitler sich in der Folgezeit auch intensiv um Woltereck, „lobte und ermunterte ihn und vermied jeden harten oder autoritären Ton“, wie er in späteren Jahren bei Auseinandersetzungen mit Münchener Parteiführern zu tun pflegen sollte. Als Grund hierfür machte Rösch aus, dass Hitlers Position als Parteiführer zu diesem Zeitpunkt sehr fragil, seine Autorität innerhalb der Partei noch nicht überall unhinterfragt anerkannt und seine Hausmacht aufgrund anderer Ereignisse damals stark erschüttert war. | ||
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Hitler übertrug Woltereck als Vertrauensmann zu dieser Zeit auch verschiedene Sonderaufgaben, so ernannte er ihn zum Leiter der Sammlung für den Ausbau der Parteigeschäftsstelle und zum Leiter der Unterschriftenaktion gegen das Hitler 1925 von der bayerischen Regierung auferlegte Redeverbot. | Hitler übertrug Woltereck als Vertrauensmann zu dieser Zeit auch verschiedene Sonderaufgaben, so ernannte er ihn zum Leiter der Sammlung für den Ausbau der Parteigeschäftsstelle und zum Leiter der Unterschriftenaktion gegen das Hitler 1925 von der bayerischen Regierung auferlegte Redeverbot. | ||
Neben der Gunst Hitlers dürfte Woltereck auch von Förderung durch | Neben der Gunst Hitlers dürfte Woltereck auch von Förderung durch Bruno Heinemann, dem Leiter der Organisationsabteilung der Reichsleitung und obersten Parteirichter, profitiert haben. Spannungsgeladen war demgegenüber sein Verhältnis zum Propagandachef der Partei Otto May. | ||
Im Herbst 1925 und Frühjahr 1926 war Woltereck in einen monatelangen Beleidigungsprozess mit dem früheren GVG-Führer Edelmann verwickelt. | Im Herbst 1925 und Frühjahr 1926 war Woltereck in einen monatelangen Beleidigungsprozess mit dem früheren GVG-Führer Edelmann verwickelt. | ||
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Rösch vermutet, dass Woltereck seinen Rücktritt erneut als ein Druckmittel benutzen wollte: Dieses Mal, um sich die ausdrücklich ausgesprochene Anerkennung zu ertrotzen, die ihm in der Generalmitgliederversammlung versagt geblieben war. | Rösch vermutet, dass Woltereck seinen Rücktritt erneut als ein Druckmittel benutzen wollte: Dieses Mal, um sich die ausdrücklich ausgesprochene Anerkennung zu ertrotzen, die ihm in der Generalmitgliederversammlung versagt geblieben war. | ||
Hitlers Stellung in der Partei war indessen im Frühjahr 1926, im Vergleich zum Herbst 1925, zumal nach der sogenannten | Hitlers Stellung in der Partei war indessen im Frühjahr 1926, im Vergleich zum Herbst 1925, zumal nach der sogenannten Bamberger Führertagung, erheblich stärker geworden. Er hatte die Partei inzwischen in ganz Bayern fest in der Hand, sodass München die existentielle Bedeutung als Hausmacht im Vergleich zum Vorjahr verloren hatte. Dementsprechend besaß Hitler 1926 erheblich mehr Selbstbewusstsein als im Vorjahr: Er versuchte zwar, Woltereck in den Wochen nach dessen Rücktritt zur Rückkehr auf seinen Posten zu bewegen. Und er bekundete auch öffentlich, dass Woltereck sein „unbegrenztes Vertrauen“ habe. Hitler lehnte es aber ab, auf Wolterecks Forderungen einzugehen. Stattdessen verlangte Hitler im Gegensatz zum Vorjahr, mit Röschs Worten, „absolute und bedingungslose Unterwerfung“. | ||
In einer eigens anberaumten Sektionsversammlung im Juni 1926 stellte Hitler klar, dass „die Partei [...] auf Autorität und Unterordnung aufgebaut“ sei und dass „er als Führer“ es daher „nicht dulden“ könne, „dass ein kleiner Sektionsführer sich gegen die höchsten Instanzen auflehne“. Denn, „würde dies geduldet, dann wäre die Partei erledigt“. | In einer eigens anberaumten Sektionsversammlung im Juni 1926 stellte Hitler klar, dass „die Partei [...] auf Autorität und Unterordnung aufgebaut“ sei und dass „er als Führer“ es daher „nicht dulden“ könne, „dass ein kleiner Sektionsführer sich gegen die höchsten Instanzen auflehne“. Denn, „würde dies geduldet, dann wäre die Partei erledigt“. | ||
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=== Spätere Jahre === | === Spätere Jahre === | ||
Nach 1933 erhielt Woltereck das | Nach 1933 erhielt Woltereck das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP. | ||
== Ehe und Familie == | == Ehe und Familie == | ||
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== Literatur == | == Literatur == | ||
* | * Mathias Rösch: Die Münchner NSDAP 1925 - 1933 : eine Untersuchung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik, Oldenbourg Verlag, München, 2002, ISBN=978-3-486-56670-3 | ||
* | * Clemens Vollnhals (Bearbeiter): ''Hitler. Reden, Schriften, Anordnungen'', Bd. I (Die Wiedergründung der NSDAP, Februar 1925 – Juni 1926), München/London/New York/Paris, 1992, S. 396. (Biogramm) | ||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
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