DP-Camp Föhrenwald: Unterschied zwischen den Versionen
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Die vorübergehende Heimat für [[Displaced Person]]s von 1945 bis 1957 - '''DP Camp Föhrenwald''' bei Wolfratshausen - nahm nur jüdische DP´s auf. | |||
In den 1930er Jahren entstand bei Geretsried zunächst die Siedlung Föhrenwald für die Beschäftigten, im Kriegsverlauf immer mehr ein [[Zwangsarbeit]]er-Lager, einer nahegelegenen Munitionsfabrik, das ''Lager Föhrenwald.'' | |||
In den rund hundert Ein- und Mehrfamilienhäusern wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschleppte Menschen, sogenannten Displaced Persons (DPs), von der amerikanischen [[Militärregierung]] untergebracht. Die US-Behörden ließen die Juden u.a. eine weitgehende Freiheit bei Organisation und Verwaltung der Infrastruktur wie Polizei, Lagergericht, Synagogen, Mikwaot, koschere Küchen, Schulen, Kindergärten, Theatern, Sportvereinen, jiddischsprachigen Zeitungen und vielem mehr. Mitten in Bayern war als Folge der NS-Diktatur quasi über Nacht ein "ostjüdisches Schtetl" entstanden. Aber für die meisten Bewohner des '''Camps Föhrenwald''' kam eine Repatriierung in ihre Herkunftsländer oder ein Verbleiben in Deutschland nicht wirklich in Frage. Die Bewohnerzahlen schwankten zwischen 5000 und 1000 (gegen Ende des Camps). | |||
Mit der Gründung des Staates Israel im Mai [[1948]] begann die große Abwanderungswelle. Zum Ende der Dekade liberalisierten neben Kanada auch die USA und andere Länder ihre Einreisebestimmungen. Die Bewohnerzahl in Föhrenwald blieb gleichwohl ziemlich konstant, da das Lager DPs aus anderen, nun geschlossenen Einrichtungen, aufnahm. Im Dezember 1951 wurde das Camp Föhrenwald der deutschen Verwaltung unterstellt und als „'''Regierungslager für heimatlose Ausländer'''“ weitergeführt. Föhrenwald war das am längsten bestehende DP-Lager in Europa. | |||
Von hier kamen [[1957]] schließlich 500 neue Einwohner nach [[München]]. Denn bis zum 28. Februar 1957 wurden die letzten BewohnerInnen auf die BRD verteilt. Durchgehend handelte es sich bei diesem Personenkreis „um Härtefälle, die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen fast unüberwindlichen Einwanderungsschwierigkeiten gegenüberstanden“, beschrieb ein Journalist der Allgemeinen Jüdische Wochenzeitung die damalige Situation. Zusammen mit den Shoa-Überlebenden oder mit aus der Emigration zurückgekehrten deutschen Juden bildeten die ''Föhrenwalder'' den gemeinsamen Grundstock der nun neuen [[Israelitische Gemeinde|israelitischen Kultusgemeinden]] in Deutschland, hier also in [[München]]. | |||
Das Gelände und die Wirtschaftsgebäude des Lagers/Camps waren bereits im Oktober 1955 durch das von Kardinal Joseph Wendel gegründete Diözesansiedlungswerk und die [[Erzdiözese München und Freising]] erworben worden, die hier später auch das Spätberufenenseminar St. Matthias mit Gymnasium und Kolleg einrichtete. | |||
== www== | Ab April 1956 wurden auf dem Gelände "heimatvertriebene Familien" angesiedelt, so dass zeitweise Displaced Persons und deutsche Heimatvertriebene gemeinsam auf dem Gelände lebten. Die Gebäude wurden renoviert und später zu günstigen Konditionen an Heimatvertriebene und Wolfratshauser Familien verkauft. Im Laufe der Nachkriegszeit entstand aus dem ehemaligen Lager Föhrenwald eine [[Siedlung]], der Wolfratshauser '''Ortsteil Waldram'''. Die Flächen der ehemaligen Fabriken sind heute Teil des Stadtgebietes von [[Geretsried]]. | ||
== Vorgeschichte: die Rüstungsbetriebe== | |||
Im Auftrag des Reichsrüstungsministeriums und des Oberkommandos des Heeres (OKH) begannen im Januar 1938 im Wolfratshauser Forst der Bau des Werkes | |||
*“Fabrik zur Verwertung Chemischer Stoffe” durch den Konzern “Dynamit A.G. (DAG)” im heutigen Geretsrieder Stadtteil Gartenberg und des Werkes | |||
*“Deutsche Sprengchemie (DSC)” durch den Konzern “Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff A.G. (WASAG)” im heutigen Geretsrieder Stadtteil Stein. | |||
Die Gesamtfläche betrug 720 Hektar sowie zusätzliches Gelände für die Errichtung eines Barackenlagers. Zur selben Zeit entstanden auch die Wohnsiedlungen für Angestellte sowie Massenwohnlager für Arbeiter der beiden Werke in den Lagern Stein, Buchberg und Föhrenwald. | |||
Etwa 6000 Bau- und Montagearbeiter errichteten wechselweise in fünf Jahren die beiden Werke auf einer Gesamtgrundfläche von rund 8,3 Quadratkilometern. | |||
Das Lager Föhrenwald entstand mit 76 Wohnhäusern auf 69 Hektar, darunter 13 Sozial- und Verwaltungsbauten. Außerdem gab es im Werksbereich Friseure, Schuster und einige weitere Dienstleistungsberufe. Ein Krankenrevier als Sozialstation mit Sanitätern und dem Werksarzt sollte für die gesundheitliche Betreuung der Arbeiter sorgen. Das Lager war umzäunt und verfügte über ein Stichgleis. 59 reine Wohnhäuser von unterschiedlicher Größe gab es und dazu mehrere Gebäude für unterschiedliche Funktionen und Dienstleistungen: für Post, Verwaltung, außerdem ein Frauen- und ein Männerbad, ein Kesselhaus und einer Feuerwache. | |||
==Erinnerung== | |||
* Ausstellung ''Die Kinder vom Lager Föhrenwald''. Die von Kirsten Jörgensen und [[Sybille Krafft]] konzipierte Ausstellung widmet sich dem lange Zeit wenig beachteten Aspekt des Aufwachsens von jüdischen Kindern nach Kriegsende in Oberbayern, insbesondere im Lager Föhrenwald. | |||
* Verein ''Bürger für das Badehaus Waldram-Föhrenwald'' [http://www.badehauswaldram.de/ (Link)] | |||
* Denkmal Lager Föhrenwald von Ernst Grünwald (1998) | |||
* 2009 hat der Arbeitskreis Föhrenwald ein Treffen für ehemalige Bewohner des DP-Lagers auf die Beine gestellt. Aus der ganzen Welt kamen sie kamen sie dazu angereist. | |||
== Literatur == | |||
* Heike Ander, Michaela Melián (Hrsg.): ''Föhrenwald.'' Verlag Revolver, Frankfurt am Main, 2005. ISBN 3-86588-185-8 | |||
* [[Angelika Königseder]], [[Juliane Wetzel]]: ''Lebensmut im Wartesaal - Die jüdischen DPs (Displaced Persons) im Nachkriegsdeutschland.'' Fischer, Frankfurt am Main, 2004. ISBN 3-596-16835-X | |||
* Sybille Krafft, Wolfgang Schäl-von Gamm: ''Unterm Joch. Zwangsarbeit im Wolfratshauser Forst.'' Hrsg. [[Historischen Verein Wolfratshausen]]. Eigenverlag, Wolfratshausen, 2008, OCLC|645292068 | |||
* Angelika Schardt: Eine Minorität am Rande der Nachkriegsgesellschaft: Jüdische Displaced Persons am Beispiel des Lagers Föhrenwald bei Wolfratshausen, Mag.-Arbeit LMU-München, 1990 | |||
* Joachim Schroeder: ''Das DP-Lager Föhrenwald 1945-1951''. In: Julius H. Schoeps (Hrsg.): ''Leben im Land der Täter : Juden im Nachkriegsdeutschland (1945 - 1952)''. Berlin, Jüdische Verl.-Anstalt, 2001, S. 47–62 | |||
== Weblinks == | |||
* Jim G. Tobias: ''[http://www.hagalil.com/2017/02/foehrenwald/ Föhrenwald – der letzte Wartesaal zur Emigration.]'' Bei hagalil.com vom 27. Februar 2017 – 1 Adar 5777. (Untertitel: Vor 60 Jahren wurde das letzte jüdische DP-Lager endgültig geschlossen.) | * Jim G. Tobias: ''[http://www.hagalil.com/2017/02/foehrenwald/ Föhrenwald – der letzte Wartesaal zur Emigration.]'' Bei hagalil.com vom 27. Februar 2017 – 1 Adar 5777. (Untertitel: Vor 60 Jahren wurde das letzte jüdische DP-Lager endgültig geschlossen.) | ||
* Lisa Sonnabend: ''[http://www.sueddeutsche.de/muenchen/displaced-persons-lager-foehrenwald-wenn-erinnerungen-doch-noch-lebendig-werden-1.1306784 Displaced-Persons-Lager Föhrenwald — Zwei verbogene Löffel und viele Erinnerungen.]'' Süddt. Ztg. vom 2012 | * Lisa Sonnabend: ''[http://www.sueddeutsche.de/muenchen/displaced-persons-lager-foehrenwald-wenn-erinnerungen-doch-noch-lebendig-werden-1.1306784 Displaced-Persons-Lager Föhrenwald — Zwei verbogene Löffel und viele Erinnerungen.]'' Süddt. Ztg. vom 2012 | ||
* [http://www.badehauswaldram.de/lager-foehrenwald-chronik/ Chronik: Das DP-Lager Föhrenwald] (bei badehauswaldram.de) | |||
* [https://de.wikipedia.org/wiki/Lager_Föhrenwald Artikel bei Wikipedia Lager_Föhrenwald] (Stand 10/2017) | |||
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wp Inhaltsverzeichnis [Verbergen] | |||
1 Zwangsarbeiterlager | |||
2 Lager für Displaced Persons | |||
2.1 Bewohnerzahlen | |||
3 Straßennamen | |||
4 Wohnsiedlung für Heimatvertriebene | |||
5 Literatur | |||
6 Ausstellungen | |||
7 Weblinks | |||
8 Einzelnachweise | |||
Für Zitate: | |||
Föhrenwald – der letzte Wartesaal zur Emigration | Föhrenwald – der letzte Wartesaal zur Emigration | ||
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Lange wusste Greif, wie viele Waldramer, nichts von der bewegten Vergangenheit ihrer Siedlung. Erst als sie eines Tages das Wohnzimmer weißelte und über dem Klavier ein Davidstern zum Vorschein kam, begann sie nachzuforschen. Mittlerweile hat die Lehrerin alle Bücher zu dem Thema gelesen und einiges über Föhrenwald herausgefunden. Dort, wo nun in ihrer Küche die Eckbank steht, lernten vor sechzig Jahren jüdische Kinder Lesen und Schreiben. In ihrem Haus war eine Schule untergebracht. | Lange wusste Greif, wie viele Waldramer, nichts von der bewegten Vergangenheit ihrer Siedlung. Erst als sie eines Tages das Wohnzimmer weißelte und über dem Klavier ein Davidstern zum Vorschein kam, begann sie nachzuforschen. Mittlerweile hat die Lehrerin alle Bücher zu dem Thema gelesen und einiges über Föhrenwald herausgefunden. Dort, wo nun in ihrer Küche die Eckbank steht, lernten vor sechzig Jahren jüdische Kinder Lesen und Schreiben. In ihrem Haus war eine Schule untergebracht. | ||
Föhrenwald Sichtbare Erinnerungen | Bilder: Föhrenwald Sichtbare Erinnerungen | ||
Föhrenwald | |||
Föhrenwald | |||
Vom Abriss bedroht | |||
Greif gründete 2007 mit vier Bekannten den Arbeitskreis Föhrenwald. Am Eingang zur Siedlung haben sie eine Informationstafel aufgestellt, immer wieder organisieren sie Veranstaltungen über die Geschichte des Ortes, die meist sehr gut besucht sind. Nun soll bald ein historischer Pfad durch Waldram führen, den eine von Greifs Schülerinnen in ihrer Facharbeit entwickelt hat. | |||
2009 hat der Arbeitskreis Föhrenwald ein Treffen für ehemalige Bewohner des DP-Lagers auf die Beine gestellt. Aus der ganzen Welt sind sie angereist, um noch einmal ihre Wohnungen zu betreten und den heutigen Bewohnern von ihrer Geschichte zu erzählen. Auch Beno Salamander kam. "Die Leute von damals wiederzusehen - das ist ein Gefühl zwischen Klassen- und Veteranentreffen", sagt er und lacht. In der Ausstellung im Jüdischen Museum sind Video-Ausschnitte von dem Besuch in Waldram zu sehen. Die ehemaligen DPs scherzen, unterhalten sich mit den Waldramern, manchmal wirken beide Seiten auch ein wenig verunsichert. | |||
Beno Salamander, Eva Greif und die Kuratorinnen des jüdischen Museum haben Versatzteile zusammengetragen - die ganz unterschiedlich sind und gemeinsam endlich die Geschichte eines Ortes greifbar machen. Beno Salamander sitzt in seiner Praxis am Odeonsplatz, Mittagspause, den weißen Arztkittel hat er nicht abgelegt. "Wir Kinder mussten damals unsere Identität finden", sagt er. "Wir wussten, wir müssen uns im Leben bewähren. Auf Erbe oder gar Heimat konnten wir nicht bauen." | |||
Reden über die Geschichte des Ortes | |||
Föhrenwald ist der Ort, an dem Salamander trotz der belastenden Umstände eine recht unbeschwerte Kindheit erlebte. Zu einer Heimat ist ihm die Siedlung nicht geworden. Deswegen findet er zwar gut, dass das Jüdische Museum sich des Themas annimmt - da "man so wenig weiß über die damalige Zeit". Doch er sagt auch: "Ich fühle mich nicht als Heimatvertriebener aus Föhrenwald. Wie die Waldramer es in Erinnerung halten, ist ihre Sache." | |||
Eva Greif und ihre Freundin Sissy Mayrhofer aus dem Arbeitskreis bleiben auf dem Kolpingplatz stehen, dem Hauptplatz, den Beno Salamander in seinen Erinnerungen genau beschrieben hat. Die Fensterläden des langen Gebäudes des ehemaligen Badehauses sind zugezogen, die Bausubstanz bröckelt ein wenig. Doch es steht. Noch. | |||
Es gibt konkrete Pläne, es abzureißen und stattdessen einen Neubaukomplex zu errichten. Greif hofft, dass es nicht so weit kommt. Der Platz sei identifikationsstiftend für die Siedlung und geschichtsträchtig. Ein Teil der Seele Waldrams würde verloren gehen. Der Arbeitskreis Föhrenwald will das Gebäude stattdessen in ein Dokumentationszentrum umwandeln, am liebsten mit einem Café darin, in dem sich die Bewohner treffen und austauschen können - auch über die Geschichte ihrer Siedlung. Greif hat viel Unterstützung aus der Bevölkerung und von Politikern bekommen. Für diese Woche ist nun ein Treffen wegen des Neubaus geplant mit dem Bürgermeister. Es geht um die Zukunft Waldrams - und damit auch um die Vergangenheit. | |||
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[[Kategorie:nachkriegszeit]] |
Aktuelle Version vom 11. Oktober 2017, 22:15 Uhr
Die vorübergehende Heimat für Displaced Persons von 1945 bis 1957 - DP Camp Föhrenwald bei Wolfratshausen - nahm nur jüdische DP´s auf.
In den 1930er Jahren entstand bei Geretsried zunächst die Siedlung Föhrenwald für die Beschäftigten, im Kriegsverlauf immer mehr ein Zwangsarbeiter-Lager, einer nahegelegenen Munitionsfabrik, das Lager Föhrenwald.
In den rund hundert Ein- und Mehrfamilienhäusern wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschleppte Menschen, sogenannten Displaced Persons (DPs), von der amerikanischen Militärregierung untergebracht. Die US-Behörden ließen die Juden u.a. eine weitgehende Freiheit bei Organisation und Verwaltung der Infrastruktur wie Polizei, Lagergericht, Synagogen, Mikwaot, koschere Küchen, Schulen, Kindergärten, Theatern, Sportvereinen, jiddischsprachigen Zeitungen und vielem mehr. Mitten in Bayern war als Folge der NS-Diktatur quasi über Nacht ein "ostjüdisches Schtetl" entstanden. Aber für die meisten Bewohner des Camps Föhrenwald kam eine Repatriierung in ihre Herkunftsländer oder ein Verbleiben in Deutschland nicht wirklich in Frage. Die Bewohnerzahlen schwankten zwischen 5000 und 1000 (gegen Ende des Camps).
Mit der Gründung des Staates Israel im Mai 1948 begann die große Abwanderungswelle. Zum Ende der Dekade liberalisierten neben Kanada auch die USA und andere Länder ihre Einreisebestimmungen. Die Bewohnerzahl in Föhrenwald blieb gleichwohl ziemlich konstant, da das Lager DPs aus anderen, nun geschlossenen Einrichtungen, aufnahm. Im Dezember 1951 wurde das Camp Föhrenwald der deutschen Verwaltung unterstellt und als „Regierungslager für heimatlose Ausländer“ weitergeführt. Föhrenwald war das am längsten bestehende DP-Lager in Europa.
Von hier kamen 1957 schließlich 500 neue Einwohner nach München. Denn bis zum 28. Februar 1957 wurden die letzten BewohnerInnen auf die BRD verteilt. Durchgehend handelte es sich bei diesem Personenkreis „um Härtefälle, die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen fast unüberwindlichen Einwanderungsschwierigkeiten gegenüberstanden“, beschrieb ein Journalist der Allgemeinen Jüdische Wochenzeitung die damalige Situation. Zusammen mit den Shoa-Überlebenden oder mit aus der Emigration zurückgekehrten deutschen Juden bildeten die Föhrenwalder den gemeinsamen Grundstock der nun neuen israelitischen Kultusgemeinden in Deutschland, hier also in München.
Das Gelände und die Wirtschaftsgebäude des Lagers/Camps waren bereits im Oktober 1955 durch das von Kardinal Joseph Wendel gegründete Diözesansiedlungswerk und die Erzdiözese München und Freising erworben worden, die hier später auch das Spätberufenenseminar St. Matthias mit Gymnasium und Kolleg einrichtete.
Ab April 1956 wurden auf dem Gelände "heimatvertriebene Familien" angesiedelt, so dass zeitweise Displaced Persons und deutsche Heimatvertriebene gemeinsam auf dem Gelände lebten. Die Gebäude wurden renoviert und später zu günstigen Konditionen an Heimatvertriebene und Wolfratshauser Familien verkauft. Im Laufe der Nachkriegszeit entstand aus dem ehemaligen Lager Föhrenwald eine Siedlung, der Wolfratshauser Ortsteil Waldram. Die Flächen der ehemaligen Fabriken sind heute Teil des Stadtgebietes von Geretsried.
Vorgeschichte: die Rüstungsbetriebe
Im Auftrag des Reichsrüstungsministeriums und des Oberkommandos des Heeres (OKH) begannen im Januar 1938 im Wolfratshauser Forst der Bau des Werkes
- “Fabrik zur Verwertung Chemischer Stoffe” durch den Konzern “Dynamit A.G. (DAG)” im heutigen Geretsrieder Stadtteil Gartenberg und des Werkes
- “Deutsche Sprengchemie (DSC)” durch den Konzern “Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff A.G. (WASAG)” im heutigen Geretsrieder Stadtteil Stein.
Die Gesamtfläche betrug 720 Hektar sowie zusätzliches Gelände für die Errichtung eines Barackenlagers. Zur selben Zeit entstanden auch die Wohnsiedlungen für Angestellte sowie Massenwohnlager für Arbeiter der beiden Werke in den Lagern Stein, Buchberg und Föhrenwald.
Etwa 6000 Bau- und Montagearbeiter errichteten wechselweise in fünf Jahren die beiden Werke auf einer Gesamtgrundfläche von rund 8,3 Quadratkilometern.
Das Lager Föhrenwald entstand mit 76 Wohnhäusern auf 69 Hektar, darunter 13 Sozial- und Verwaltungsbauten. Außerdem gab es im Werksbereich Friseure, Schuster und einige weitere Dienstleistungsberufe. Ein Krankenrevier als Sozialstation mit Sanitätern und dem Werksarzt sollte für die gesundheitliche Betreuung der Arbeiter sorgen. Das Lager war umzäunt und verfügte über ein Stichgleis. 59 reine Wohnhäuser von unterschiedlicher Größe gab es und dazu mehrere Gebäude für unterschiedliche Funktionen und Dienstleistungen: für Post, Verwaltung, außerdem ein Frauen- und ein Männerbad, ein Kesselhaus und einer Feuerwache.
Erinnerung
- Ausstellung Die Kinder vom Lager Föhrenwald. Die von Kirsten Jörgensen und Sybille Krafft konzipierte Ausstellung widmet sich dem lange Zeit wenig beachteten Aspekt des Aufwachsens von jüdischen Kindern nach Kriegsende in Oberbayern, insbesondere im Lager Föhrenwald.
- Verein Bürger für das Badehaus Waldram-Föhrenwald (Link)
- Denkmal Lager Föhrenwald von Ernst Grünwald (1998)
- 2009 hat der Arbeitskreis Föhrenwald ein Treffen für ehemalige Bewohner des DP-Lagers auf die Beine gestellt. Aus der ganzen Welt kamen sie kamen sie dazu angereist.
Literatur
- Heike Ander, Michaela Melián (Hrsg.): Föhrenwald. Verlag Revolver, Frankfurt am Main, 2005. ISBN 3-86588-185-8
- Angelika Königseder, Juliane Wetzel: Lebensmut im Wartesaal - Die jüdischen DPs (Displaced Persons) im Nachkriegsdeutschland. Fischer, Frankfurt am Main, 2004. ISBN 3-596-16835-X
- Sybille Krafft, Wolfgang Schäl-von Gamm: Unterm Joch. Zwangsarbeit im Wolfratshauser Forst. Hrsg. Historischen Verein Wolfratshausen. Eigenverlag, Wolfratshausen, 2008, OCLC|645292068
- Angelika Schardt: Eine Minorität am Rande der Nachkriegsgesellschaft: Jüdische Displaced Persons am Beispiel des Lagers Föhrenwald bei Wolfratshausen, Mag.-Arbeit LMU-München, 1990
- Joachim Schroeder: Das DP-Lager Föhrenwald 1945-1951. In: Julius H. Schoeps (Hrsg.): Leben im Land der Täter : Juden im Nachkriegsdeutschland (1945 - 1952). Berlin, Jüdische Verl.-Anstalt, 2001, S. 47–62
Weblinks
- Jim G. Tobias: Föhrenwald – der letzte Wartesaal zur Emigration. Bei hagalil.com vom 27. Februar 2017 – 1 Adar 5777. (Untertitel: Vor 60 Jahren wurde das letzte jüdische DP-Lager endgültig geschlossen.)
- Lisa Sonnabend: Displaced-Persons-Lager Föhrenwald — Zwei verbogene Löffel und viele Erinnerungen. Süddt. Ztg. vom 2012
- Chronik: Das DP-Lager Föhrenwald (bei badehauswaldram.de)
- Artikel bei Wikipedia Lager_Föhrenwald (Stand 10/2017)