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* Draußen an der neuen Wendlstraße zu Neuhausen erhob sich eine uralte verwitterte Denksäule: der Winthirstein. Vor Jahren stand dieses in spätgotischem Stile aus Sandstein gehauene Denkmal einsam auf freiem Feldes Unergründliches Geheimnis umweht den etwa drei Meter hohen Stein. Was mag er bedeuten? Vielleicht eine Votiv- oder Pestsäule? vielleicht gar ein Jagddenkmal? Das Volk kümmert sich darum nur wenig. Für ihn bleibt es der Winthirstein, welcher der Sage nach den Ort bezeichnet, wo Winthir seine Predigten hielt. So hat es der Großvater von seinem Urgroßvater gebort. Auch sonst geht über den Stein noch manche Sage. All die umliegenden Fluren, so erzählt man sich, seien seit jeher von Hagelschlägen und sonstigen Ungewittern verschont geblieben. Wer ein großes Herzleid hatte, beim Winthirstein betete und nicht gleich verzagte, dem wurde, als die Zeiten noch andere waren, fast immer geholfen. — Da lebte aber einmal zu Neuhausen ein reicher Bauer, der den Herrgott den lieben Herrgott sein ließ und gar lustig lebte, bis eines Sommers ein furchtbares Ungewitter über seine Fluren niederging und alles zerstörte. Da herrschte im Hose des gottlosen Bauern großer Jammer. Als aber der Pfarrer kam und den Geschädigten mit den Worten: „Schau Bauer, halt' den Kopf hoch und vertrau' auf unser's Winthirs Hilf'. Es dauert g'wiß nit lang, dann geht er wieder segnend über deine Felder" trösten wollte, da begann der Landmann Winthir furchtbar zu lästern, rief seine Knechte und befahl ihnen, den Winthirstein umzuwerfen. Aber die Leute weigerten sich. „'Sann tua i's selber!" schrie nun der Lästerer und eilte mit Hacke und Spaten hinaus aus das Feld. Er kam aber nimmer zurück. Zwei Schaufel Erde fand man bei der Säule ausgeworfen und daneben den toten Bauern. | * Draußen an der neuen Wendlstraße zu Neuhausen erhob sich eine uralte verwitterte Denksäule: der Winthirstein. Vor Jahren stand dieses in spätgotischem Stile aus Sandstein gehauene Denkmal einsam auf freiem Feldes Unergründliches Geheimnis umweht den etwa drei Meter hohen Stein. Was mag er bedeuten? Vielleicht eine Votiv- oder Pestsäule? vielleicht gar ein Jagddenkmal? Das Volk kümmert sich darum nur wenig. Für ihn bleibt es der Winthirstein, welcher der Sage nach den Ort bezeichnet, wo Winthir seine Predigten hielt. So hat es der Großvater von seinem Urgroßvater gebort. Auch sonst geht über den Stein noch manche Sage. All die umliegenden Fluren, so erzählt man sich, seien seit jeher von Hagelschlägen und sonstigen Ungewittern verschont geblieben. Wer ein großes Herzleid hatte, beim Winthirstein betete und nicht gleich verzagte, dem wurde, als die Zeiten noch andere waren, fast immer geholfen. — Da lebte aber einmal zu Neuhausen ein reicher Bauer, der den Herrgott den lieben Herrgott sein ließ und gar lustig lebte, bis eines Sommers ein furchtbares Ungewitter über seine Fluren niederging und alles zerstörte. Da herrschte im Hose des gottlosen Bauern großer Jammer. Als aber der Pfarrer kam und den Geschädigten mit den Worten: „Schau Bauer, halt' den Kopf hoch und vertrau' auf unser's Winthirs Hilf'. Es dauert g'wiß nit lang, dann geht er wieder segnend über deine Felder" trösten wollte, da begann der Landmann Winthir furchtbar zu lästern, rief seine Knechte und befahl ihnen, den Winthirstein umzuwerfen. Aber die Leute weigerten sich. „'Sann tua i's selber!" schrie nun der Lästerer und eilte mit Hacke und Spaten hinaus aus das Feld. Er kam aber nimmer zurück. Zwei Schaufel Erde fand man bei der Säule ausgeworfen und daneben den toten Bauern. | ||
* Viele Jahrhunderte hindurch befand sich der Winthirstein auf dem Felde das jetzt die Wendlstraße durchzieht. 1873 ließ die Gemeinde Neuhausen die Säule renovieren und daran eine Steinplatte anbringen, welche die Inschrift führt: „Dem Andenken des seligen Winthir, der vorher ein Säumer, nachher ein eifriger Verkünder des Wortes Gottes in dieser Gegend war, weshalb diese Tafel von der Gemeinde Neuhausen im Jahre 1873 errichtet wurde." Die alten Bilder und Inschriften (an zwölf Flächen) sind dem Zahne der Zeit längst zum Opfer gefallen und niemand kann darüber noch Kunde geben. Neuhausen ist nun von Jahrzehnt zu Jahrzehnt größer geworden und so kam es, daß vor wenigen Monaten der alte Stein infolge der Aufmachung der Wendlstraße plötzlich zu einem Verkehrshindernis geworden ist und entfernt wurde. Dabei fand man auch die 1873 mit drei neuen Geldstücken eingegrabene Flasche wieder auf. Lange war man über das künftige Schicksal der Winthirsäule im unklaren. Dank dem energischen Eintreten eingesessener Neuhauser Bürger, erhielt die Säule wenige hundert Meter westlich der alten Stelle einen neuen Platz. Sie steht nun seit einigen Wochen für immer in der Gärtnerei | * Viele Jahrhunderte hindurch befand sich der Winthirstein auf dem Felde das jetzt die Wendlstraße durchzieht. 1873 ließ die Gemeinde Neuhausen die Säule renovieren und daran eine Steinplatte anbringen, welche die Inschrift führt: „Dem Andenken des seligen Winthir, der vorher ein Säumer, nachher ein eifriger Verkünder des Wortes Gottes in dieser Gegend war, weshalb diese Tafel von der Gemeinde Neuhausen im Jahre 1873 errichtet wurde." Die alten Bilder und Inschriften (an zwölf Flächen) sind dem Zahne der Zeit längst zum Opfer gefallen und niemand kann darüber noch Kunde geben. Neuhausen ist nun von Jahrzehnt zu Jahrzehnt größer geworden und so kam es, daß vor wenigen Monaten der alte Stein infolge der Aufmachung der Wendlstraße plötzlich zu einem Verkehrshindernis geworden ist und entfernt wurde. Dabei fand man auch die 1873 mit drei neuen Geldstücken eingegrabene Flasche wieder auf. Lange war man über das künftige Schicksal der Winthirsäule im unklaren. Dank dem energischen Eintreten eingesessener Neuhauser Bürger, erhielt die Säule wenige hundert Meter westlich der alten Stelle einen neuen Platz. Sie steht nun seit einigen Wochen für immer in der Gärtnerei Simeth und erinnert nun hoffentlich noch viele Jahrzehnte hindurch an die Vergangenheit der Vorstadt Neuhausen. (Willy Rett, 17. Februar 1912.) | ||
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