Hans Prinzhorn

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Hans Prinzhorn (* 8. Juni 1886 in Hemer, Westfalen; † 14. Juni 1933 in München) war Kunsthistoriker und Arzt. Er gilt heute als einer der Pioniere einer interdisziplinären Sichtweise (besonders in der Psychiatrie). Ihn interessierten kulturanthropologische Fragen, etwa nach dem Ursprung künstlerischer Gestaltung oder dem "schizophrenen Weltgefühl" in der expressionistischen Kunst seiner Zeit, und er hoffte, in den Werken der Patienten der psychiatrischen Kliniken einen unverstellten, elementaren Zugang zur Kunst zu finden.

In den Nachkriegsjahren des Ersten Weltkriegs baute er, von Karl Wilmanns, dem Leiter der Heidelberger Psychiatrischen Klinik, unterstützt, diese einzigartige Sammlung von Werken aus psychiatrischen Anstalten auf. Mit seinem reich illustrierten Buch Bildnerei der Geisteskranken (Berlin 1922), in dem große Teile der Sammlung dokumentiert, interpretiert und in kulturkritische Überlegungen eingebettet werden, verabschiedet er endgültig die Fragen an den bildnerischen Ausdruck als dem einer diagnostischen Beweiskraft.

Durch seinen frühen Tod hat er nicht mehr den Missbrauch seiner Arbeit und der Kunstwerke der PatientInnen durch die Nazis erlebt (in der Ausstellung 1937, über die von ihnen so beschimpfte moderne Entartete Kunst).

Aus der Stadtchronik

Am 14. Juni 1933 ist der Psychiater Prinzhorn gestorben. Im Alter von 47 Jahren stirbt in München der Arzt, Philosoph und Reiseschriftsteller Hans Prinzhorn an den Folgen einer Typhuserkrankung. Prinzhorn, der als Psychiater an der Heidelberger Universitätsklinik wirkte und dort eine nach ihm benannte Sammlung künstlerischer Arbeiten von Psychiatriepatienten aufbaute, wurde hier auf dem Waldfriedhof beerdigt.

Die Sammlung Prinzhorn

Sie enthält rund 5000 Arbeiten. Ausgestellt sind etwa 200. Bei den Werken handelt es sich überwiegend um Zeichnungen und Aquarelle, auch schriftliche Aufzeichnungen wie Briefe, Notizen, Textentwürfe; ferner Ölgemälde, textile Arbeiten, Collagen und 70 Skulpturen aus Holz. Entstehungszeit: um 1880 bis 1933; Hauptsammelzeit um 1919-22.

Die Autoren/Künstler: rund 450 Patientinnen und Patienten aller Altersstufen, sozialer Schichten und Berufe. Nur 20% der Künstler sind weiblich. Die Dauer der Internierung war unterschiedlich, oft bis zum Lebensende . Sie ist teilweise wegen fehlender Krankenakten nicht immer zu klären. Entstehungsort dieser Bilder etc: staatliche oder private Heil- und Pflegeanstalten in ganz Deutschland, aber auch in der Schweiz, Österreich, vereinzelt Italien, Frankreich, Polen und Japan (diese Länder überwiegend durch spätere Zukäufe, Erwerbungen).

Um 1920 begann unter Psychiatern eine rege Sammeltätigkeit bildnerischer Werke von Patienten, wobei zumeist die Hoffnung auf diagnostische Verwertbarkeit im Vordergrund stand (siehe oben dritter Satz).

Prinzhorn betont die Gleichwertigkeit der verachteten "Irrenkunst". Das war ein mutiger Schritt, der -langfristig gesehen- dazu beitrug, über eine angemessene Anerkennung kreativer gestalterischer Leistungen der Patienten ihre gesellschaftliche Reintegration zu fördern. Künstler wie Alfred Kubin, Paul Klee, Max Ernst oder Pablo Picasso ließen sich von den Patientenwerken faszinieren und inspirieren.

Die Werke spiegeln die unterschiedliche soziale Herkunft und Bildung ihrer AutorInnen. In ihnen zeigt sich, oft verfremdet, Zeitgeschichte und ihre Ideologien, aber auch das individuelle Leben vor der Erkrankung sowie die deformierende Anstaltsinternierung. Nur wenige Patienten besaßen eine professionelle künstlerische Ausbildung. Oft waren sie aber über Schule oder berufliche Ausbildungen und Tätigkeiten in Kunstgewerbe, Architektur, handwerklichen oder technischen Berufen mit gestalterischer Praxis in Berührung gekommen.

Als Hans Prinzhorn Heidelberg verließ, wies die Sammlung schon 5000 Objekte auf. 1000 weitere kamen im Laufe der Zeit hinzu. Nachdem Inge Jádi, seit 1971 langjährige Kustodin der Kollektion, relevante Krankenakten aufgefunden hatte, konnten zusätzliche Werke erworben werden.
Ergänzend zum Bestand der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg werden dort auch Dauerleihgaben und Schenkungen bewahrt. Dokumentation: Die Datenbank der inventarisierten und katalogisierten Bestände ist im Aufbau. Eine nahezu vollständige Photothek kann auf Anfrage eingesehen werden. Etwa zwei Drittel der Krankenakten konnten ermittelt und in ihren wichtigsten Daten erfaßt werden (Zugang nur für wissenschaftliche Zwecke).

Sichtweise der Patienten auf ihre Werke

Zitat von Thomas Röske, dem derzeitigen Prinzhorn-Sammlungs-Chef „Es gibt zweifellos immer noch ein großes Potential an Kreativität, das durch bestimmte Leiden oder Lebensverhältnisse verursacht wird. … Zum Beispiel auch durch ein Dasein als Außenseiter. Diese Personen reflektieren in ihren Arbeiten oft ihre unbefriedigende gesellschaftliche Realität.“

Literatur

  • Bettina Brand-Claussen: Das "Museum für pathologische Kunst" in Heidelberg. Von den Anfängen bis 1945, in: Wahnsinnige Schönheit, Prinzhorn-Sammlung, Ausstellungskatalog Osnabrück, Kulturhistorisches Museum u.a. Heidelberg, Wunderhorn, 1997, S. 6-23.
  • Bettina Brand-Claussen, Thomas Röske (Hrsg.): Künstler in der Irre, Ausstellungskatalog Sammlung Prinzhorn Heidelberg. Heidelberg, Wunderhorn, 2008. ISBN 978-3-88423-306-1
  • Thomas Röske: Der Arzt als Künstler. Ästhetik und Psychotherapie bei Hans Prinzhorn (1886-1933). Bielefeld, Aisthesis, 1995. ISBN 3-927670-90-1

Weblinks

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