9. November in München

Aus München Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der 9. November, in Deutschland durch den Judenpogrom 1938, verharmlosend oft die Reichs-Kristallnacht genannt, zu trauriger Berühmtheit gekommen, war vor 1938 ein wichtiger - wenn nicht sogar der wichtigste - Feiertag im Jahreszirkel des nationalsozialistischen Feierjahrs. Zu diesem Datum fanden, in ritueller Wiederholung des so genannten "Hitler-Putsches" von 1923, die mit unerhörtem Aufwand verbundenen Feierlichkeiten für die so genannten "Gefallenen der Bewegung" statt, das sind beim Putschversuch durch die Polizei Erschossene. Vorliegende Seite befasst sich mit der Inszenierung des Datums durch die Nationalsozialisten in München und behandelt auch den Wandel dieses Datums und seiner Bedeutung für München in den Jahren 1918 - 1945.

Einführung

Der neunte November war wohl der „weihevollste Tag des nationalsozialistischen Feierjahres“ - der Anlass zu dem die religiös kultischen Züge der NS-Ideologie am deutlichsten sichtbar wurden. Gefeiert wurden die „Märtyerer“ des dritten Reichs, die beim „Hitlerputsch“ 1923 ums Leben gekommenen sechzehn „alten Kämpfer“. Die verschiedenen Feiertage des NS Jahresfestkreises galten zwar gleichermaßen im ganzen Land, in der Regel hatte aber ein bestimmter Ort Leitfunktion inne - im Fall des neunten November fiel diese auf München, Ort des Geschehens von 1923 und (damit) „Hauptstadt der Bewegung“.

Die Geschehnisse vom 9. Nov. 1923 wurde im Zuge der über Jahre hinweg abgehaltenen Feierlichkeiten mythisiert, verfälscht , umgedeutet. Nicht zuletzt die Unwissenheit der deutschen, schließlich der Münchner Bevölkerung um die Ereignisse von 1923 ermöglichten die hochgradig propagandistische Auschlachtung des Datums – daher steht der folgende Artikel in der Pflicht, zumindest heute einen kleinen Teil des Wissens um die fatalen Ereignisse während der Nazizeit zu bewahren.

In seinem Aufsatz „Mythos Kult und Feste – München im Nationlasozialistischen Feierjahr“ spricht Hans Günter Hockerts von München als von einer „Bühne eines permanenten politischen Schauspiels“ Im Hinblick auf diese (und viele ähnliche) Aussagen soll die Inszenierung des 9. November durch die Nationalsozialisten in München in seiner Funktion als „Gedenktag der Gefallenen der Bewegung“ sorgfältig untersucht werden, wobei zunächst die geschichtlichen Fakten zum 9.11. 1918 und 1923 sowie die Entwicklung der inszenatorischen Umdeutung dieser Ereignisse durch die Nationalsozialisten aufzuzeigen sind.

Bei der folgenden Beschreibung der Feierlichkeiten zum 9.11. 1935 wird deren Inszenierungcharakter und die durch ihre Theatralität gewährleistete propagandistische Wirksamkeit besonders deutlich werden – daher sollen die auf ästhetische Wirkung hin durchdachte und mit deutlicher Intention geplante Organisation aller Abläufe und Handlungen in Form einer Inszenierungsanalyse bearbeitet werden.

Geschichtliche Fakten

Zum 9.11.1918 - Ende des Ersten Weltkriegs

Schon lange vor dem so genannten Hitlerputsch war der 9. November von geschichtlicher und politischer Bedeutung. Am 9.11.1918 wurde die Abdankung des Kaisers Willhelm II. bekannt gegeben – der Erste Weltkrieg war hiermit endgültig beendet – das Amt des deutschen Reichskanzlers wurde an den gemäßigten Sozialdemokraten Friedrich Ebert übergeben. Phillip Scheidemann rief vor dem deutschen Reichstagsgebäude die Republik aus. Fast zeitgleich verkündigte Karl Liebknecht die freie sozialistische Republik. Die politisch ungefestigte, von Aufständen erschütterte, von Nachkriegsarmut und Inflation gezeichnete Zeitspanne der Weimarer Republik war damit eingeläutet. In der frühen nationalsozialistischen Propaganda war das Datum daher Zeichen für die „schmachvollste“ Ära Deutschlands – später wurde der Wandel dieses „Tags der Schmach“ in den höchsten NS-Feiertag propagandistisch ausgeschlachtet.


Zum 9.11.1923 - der so genannte "Hitlerputsch"

Der „Ludendorff-Hitler-Putsch“ war ein Aufstandsversuch neben anderen der Rechtsextremen, welche die Regierungen der Weimarer Republik zu stürzen versuchten; er stellte weder eine Ausnahme im politischen Geschehen dieser Zeit dar, noch tat er sich durch die geringsten Erfolge hervor, die er hätte verzeichnen können. Soweit man vom „Ludendorff-Hitler-Putsch“ an sich spricht, könnte man sagen, dass dieser, kaum dass er begonnen hatte, auch schon wieder beendet war:

1923 wurde Bayern von einem „Triumvirat“ dikatatorisch regiert, das sich aus dem Staatskommissar v. Kahr, Reichswehrkommandant General v. Lossow und Polizeioberst Seißer zusammensetzte. Diese Regierung war nicht von der Reichsregierung gebilligt, damit bestand schon in ihr ein (in diesem Fall: nationalisitsch-rechtsgerichteter) Putsch. Die Reichswehr griff nicht ein, da Bayern für den Moment nicht als gefährlich erachtet wurde und an verschiedenen Stellen der jungen Republik kommunistische Aufstände befriedet sein wollten. Es ließe sich übrigens noch an vielen weiteren Beispielen die Grundhaltung der Ebert-Regierung erörtern, die – immer um Einigung bemüht und aufgespreizt im Widerstreit vielfältiger Interessen – immer dazu geneigt war, die „Gefahr von Rechts“ gegenüber derjenigen von „Links“ schwer zu unterschätzen. Die Angst vor einer kommunistischen Revolution nach dem Vorbild Russlands war allgegenwärtig, der damals sich neu herausbildende Faschismus und militante Konservativismus schien den Machthabern dagegen wohl harmlos-bierselig vorgekommen zu sein. Ein fataler Irrtum.

Im Oktober 1923 beginnt sich die politische Lage im gesamten Land zu entspannen. Hitler und Kumpanen beschließen, die bayerisch-separatistische Putschsituation, solange dies noch möglich ist, für ihre Zwecke zu nutzen und sich mit den Herren v. Kahr, Lossow und Seißer zu einem „Marsch auf Berlin“ - nach dem Vorbild von Moussolinis „Marsch auf Rom“ - zu verbünden.

Zu diesem Zweck wurden militärische Vorbereitungen getroffen, die SA und befreundete 'Kampfbünde' mobilisiert. Am Abend des 8. November umstellen Hitlers Kämpfer den Bürgerbräukeller, wo eine 'Vertrauenskundgebung' stattfindet. Von Kahr spricht gerade, als Hitler den Saal durchquert und mit einem Schuss in die Decke Aufmerksamkeit für seine Person erringt. Er proklamiert die „nationale Revolution“. Den drei vormaligen Putschisten (Kahr, Lossow, Seißer) wird unterdessen im Hinterzimmer unter Zwang eine Zustimmung zur Zusammenarbeit mit Hitlers Gruppe abgenötigt. Noch in der gleichen Nacht widerrufen alle drei dieses Zugeständnis und informieren die Reichswehr. Schon zu diesem Zeitpunkt war der „Ludendorff-Hitler-Putsch“ gescheitert, da er keine wesentliche militärische oder polizeiliche Unterstützung erhielt.

1938: Judenpogrom der NSDAP und SS

Ablauf

9. November
Im Alten Rathaus hält der NS-Propagandeminister Joseph Goebbels seine Rede, nachdem Hitler die Versammmlung verlassen hat, die als Auftakt des Novemberpogroms gilt.

Ermordete und Tote

Zerstörte oder stark beschädigte Gebäude

  • die orthodoxe (alte) Ohel-Jakob-Synagoge, Herzog-Rudolf-Straße 23 (früher Kanalstraße) durch SA-Männer demoliert und niedergebrannt; ihre gesamte Innenausstattung, einschließlich der Tora-Rollen verbrannte.
    • Die Kosten für den Abbruch dieser Brandruine in Höhe von 15.000 RM hatte die jüdische Gemeinde zu tragen.
  • Die Inneneinrichtung der ostjüdischen Synagoge in der Reichenbacher Straße wurde demoliert und großenteils zerstört. Das Gebäude blieb jedoch erhalten und konnte nach 1945 wieder renoviert und neu als Synagoge eingerichtet werden.
  • Warenhaus Uhlfelder, Bankhaus Aufhäuser, Modehaus Hinzelmann, Ausstattungshaus Bernheimer

1939: Georg Elsers Attentatsversuch

Am 8. November 1939 scheiterte Georg Elsers Attentatsversuch auf Hitler bei dessen jährlichem Treffen mit alten Parteigenossen (PG) im Bürgerbräukeller.

Siehe auch

Literatur

  • Andreas Heusler, Tobias Weger: Kristallnacht. Gewalt gegen die Münchner Juden im November 1938. Buchendorfer, 1998, ISBN 3927984868

Weblinks