Studentenverbindung

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Eine Studentenverbindung (auch Korporation) ist im deutschen Sprachraum ein Verband von Studenten und Alumni einer Hochschule in Form einer Brüderschaft, der Brauchtum und gewachsene Traditionen pflegt. Die ersten Verbindungen kamen um 1848 auf. Es gab auch lange Zeit Schülerverbindungen, die jedoch mittlerweile selten geworden sind. Auch in München gibt es zahlreiche Verbindungen verschiedenster Art.

Werdegang

Neumitglieder werden gerne mit gezielten Einladungen vor dem Hörsaal geworben. Wer vom äußeren Erscheinungsbild nicht in eine Verbindung passt, bekommt keinen Handzettel.

Potenzielle Neumitglieder gehen erst einmal zum Schnuppern zu den Festivitäten einer Verbindung. Angehende Mitglieder werden als Fux bezeichnet, wer zum Schnuppern kommt, ist Spe-Fux (lat. spes = Hoffnung). Die Schreibweisen „Spähfuchs“ und „Fuchs“ sind falsch.

Ist der Student Mitglied geworden (und hat diverse Aufnahmerituale durchlaufen), gilt er als aktiv. Es wird erwartet, dass er regelmäßig an den Veranstaltungen der Verbindung teilnimmt. Bei bevorstehendem Examen wird das Verbindungsmitglied für inaktiv erklärt, um die Examensvorbereitungen nicht zu gefährden.

Im Normalfall bleibt ein Verbindungsstudent auch nach dem Examen Mitglied. Er führt dann - unabhängig vom Lebensalter - den Titel „Alter Herr.“ Während aktive Verbindungsmitglieder nur einen geringen Mitgliedsbeitrag zahlen, zahlen Alte Herren wesentlich höhere Beiträge - oder sponsern Aktivitäten der Verbindung. Von Alten Herren wird erwartet, dass sie ihre beruflichen Erfahrungen an Studenten weitergeben oder Bundesbrüdern nach dem Examen behilflich sind - eine Art umgedrehter Generationenvertrag. Dies kann insbesondere bei der Stellensuche wichtig sein.

Verbindungen gelten oft als eingeschworene Gemeinschaft, die einander mit Rat und Tat zur Seite steht und - bei entsprechender Skrupellosigkeit - auch Beziehungen ausnützt. Dies ist unter dem Stichwort „Vitamin B“ (B wie Beziehung) bekannt.

Mensur

Bei pflicht- oder fakultativ schlagenden Verbindungen wird auch das MensurfechtenW gelehrt. Bei pflichtschlagenden Verbindungen muss ein Student meist zwei Fuxen- und zwei Burschenmensuren bewältigen. Früher konnte man z.B. als Kriegsteilnehmer Dispens von der Mensur bekommen. Bei fakultativ schlagenden Verbindungen wird das akademische Fechten erlernt. Die Entscheidung, eine scharfe Mensur zu schlagen, trifft jedoch jeder für sich selbst.

Von den soeben beschriebenen Bestimmungsmensuren sind aber z.B. Pro-Patria-SuitenW zu unterscheiden. Hier wird unter verschärften Bedingungen und unter vermindertem Schutz gefochten, wobei auch ernsthafte Verletzungen möglich sind. Die verschärften Bedingungen und Schutzmaßnahmen werden unterschiedlich beschrieben. So erklärte etwa der Coburger ConventW, eine Pro-Patria-Suite erfolge unter denselben Regeln und Schutzmaßnahmen wie eine Bestimmungsmensur. Sie umfasse nur mehr Gänge mit mehr Hieben[1]. Dagegen berichtet das Rechercheportal Jena/SHK, dass bei Pro-Patria-Suiten sehr wohl unter vermindertem Schutz gefochten wird und ernsthafte Verletzungen in Kauf genommen würden. Daher würden Pro-Patria-Suiten von der Öffentlichkeit abgeschirmt[2]. Auch eine Münchner schlagende Verbindung beschreibt Pro-Patria-Suiten als „Schlägermensuren unter verschärften Bedingungen[3].“ Im Juli 2024 wurde bekannt, dass auch ein AfD-Landtagsabgeordneter bei einer Pro-Patria-Suite in Erlangen vor Ort war[4].

Der Bundesgerichtshof hat 1953 studentische Mensuren als nicht sittenwidrig beurteilt. Nach einem Vorfall bei einer Erlanger Studentenverbindung 2023, bei der beide Mensurteilnehmer nach einer „Pro-Patria-Suite“ mit erheblichen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wurden, ist das Urteil wieder in die Diskussion geraten. Das BGH-Urteil erklärte Mensuren nämlich nur für zulässig, wenn sie nicht zum Austragen von Ehrenhändeln und mit Schutzkleidung begangen würden und tödliche Verletzungen ausgeschlossen seien. Nur studentische Duelle sind verboten[5].

Männerbund

Die meisten Verbindungen sind Männerbünde. Es gibt relativ wenige gemischte Verbindungen und sehr wenige Damenverbindungen. Bei den meisten männlichen Verbindungen sind jedoch die Partnerinnen herzlich willkommen nach dem Motto: Ihr dürft überall hin, außer auf die Mitgliederliste. Es gilt als besonders verwerflich, einem Verbindungsbruder die Partnerin auszuspannen. Stiftungsfeste sind auch bei der Partnersuche interessant, weil manche Alten Herren ihre Töchter mitbringen.

Verbindungsheim

Die meisten Verbindungen unterhalten ein Verbindungshaus. In dem Haus (studentischer Slang: „auf dem Haus“) werden auch Studentenbuden mit sehr günstiger Miete angeboten. Im Normalfall kann man als Nichtmitglied ein Semester dort wohnen, als Aktiver länger.

Farben und Zirkel

Die allermeisten Verbindungen führen Farben, ähnlich einer Nationalflagge. Werden die Farben auch auf Mützen, Bändern oder Anhängern getragen (so genannte Bierzipfel - sic!), ist die Verbindung farbentragend. Ebenso haben die meisten Verbindungen ein Monogramm, einen so genannten Zirkel. Dieser besteht u.a. aus dem Anfangsbuchstaben der Verbindung, oft mit den Buchstaben v, c und f („vivat, crescat, floreat“ oder auch „Vivat circulus fratrum“), gefolgt von einem Ausrufezeichen.

Im Gegensatz dazu haben amerikanische Studentenvereinigungen meist ein Kürzel aus drei griechischen Buchstaben.

Comment

Der Umgang bei offiziellen Veranstaltungen wie KneipeW, KommersW oder StiftungsfestW ist (allzu?) detailliert im so genannten Comment geregelt. Dieser ist für jede Verbindung etwas unterschiedlich, lediglich der § 11W des Kneipcomments lautet bei allen Verbindungen

§11. Es wird fortgesoffen.

Der Comment regelt insbesondere die Leitung der Veranstaltung, das Singen von Kommersliedern, das Tragen der Farbenbänder („Couleur“) und zahlreiche andere für Außenstehende merkwürdige Vorgänge.

Der Kneipcomment gilt nicht nur bei offiziellen Veranstaltungen, sondern auch, wenn eine Mindestanzahl von Verbindungsmitgliedern „bei commentmäßigem Stoff versammelt“ sind. Als commentmäßiger Stoff gilt Bier. Wein zählt doppelt so viel wie Bier.

Bei besonders detailverliebten Verbindungen gibt es sogar einen allgemeinen Comment, der die generellen Umgangsformen und Verhaltensweisen regelt, einen Comment für festliche Veranstaltungen und Feiern (Kneipcomment oder Biercomment), einen Fechtcomment (auch Paukcomment genannt) und einen Couleurcomment, der Anweisungen für das Tragen von verbindungsspezifischen Kleidungsstücken und Accessoires gibt[6].

Außerdem ist unter Bundesbrüdern unabhängig von der Position die Anrede mit „Du“ üblich.

Pausen werden in Bierminuten bekanntgegeben, wobei fünf Bierminuten drei Zeitminuten entsprechen.

  • „Bierverschiss“ (BV): nach ungebührlichem Verhalten kann das Präsidium gegen einen Bundesbruder den Bierverschiss verhängen. Der Delinquent wird an einer Wandtafel namentlich vermerkt und muss allein sitzen. Um wieder bierehrlich zu werden, braucht der Delinquent einen Mittrinker, der mit ihm eine Halbe (oder gar eine Maß) trinkt. Es gibt einen ersten, einen zweiten und einen dritten BV. Wer im dritten BV ist, kann nach Hause geschickt werden.
  • „in die Kanne schicken“, steigen lassen, stärken: nach einem Verhaltensfehler auf einer Kneipe wird man vom Präsidium „in die Kanne“ geschickt: man muss aus seinem Bierglas trinken, bis jemand vom Präsidium oder ein Alter Herr „satis“ oder „Danke, sitzt!“ sagt.
  • „ex“, „ad fundum“, „Rest weg!“: man muss sein Glas leertrinken. Wer vorsichtig ist, besorgt sich rechtzeitig ein kleines Bierglas.

Auch sonst sollte man etwas Latein gelernt haben:

  • Wortmeldungen erfolgen mit der lateinischen Redewendung „Verbum peto“. Das Wort wird mit „Habeas!“ erteilt.
  • Es wird z.B. mit „Silentium!“ um Ruhe gebeten oder eine Rede mit „Silentium ex, colloquium!” abgeschlossen[7].

Die Vorstandsmitglieder einer Verbindung werden als Chargen bezeichnet. Hierbei wird bei der Activitas meist das Rotationsprinzip eingehalten.

Alkohol

Verbindungen sind für hohen Bierkonsum und Saufrituale bekannt. Es gibt alle möglichen Abstufungen. Während bei manchen 0,0-Promille-Trinker toleriert werden (man trinkt ggf. Wasser aus einem Steingut-Krug mit Deckel und verrät es nicht), halten andere ihre Saufrituale hoch und führen bei Ehrenhändeln z.B. so genannte BierjungenW durch. Wer zuerst eine Halbe bzw. eine Maß Bier ex getrunken hat, hat gewonnen. Der Verlierer muss beide bezahlen. Mancherorts werden vor einem Kommers die Zündschlüssel eingesammelt oder die Bierrechnung monatlich per Bankeinzug beglichen.

Die meisten Verfehlungen (einschließlich der für Außenstehende nicht nachvollziehbaren) werden mit Trinkritualen aus der Welt geschafft. Lässt man z.B. sein Kommersbuch (= Liederbuch) offen liegen, während kein Lied gesungen wird, so müssen Biergläser, die auf das Kommersbuch gestellt werden, unverzüglich vom Betroffenen ausgetrunken werden[8].

Gesellschaftliches

Verbindungen gelten oft als konservativ oder rechtslastig. Die Deutsche BurschenschaftW ist einschlägig bekannt. Auch nach der Wahl eines bei einer DB-Verbindung inkorporierten AfD-Landtagsabgeordneten und dem Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam 2023W gerieten schlagende Studentenverbindungen ins öffentliche Blickfeld. Andere Verbindungen - schlagend oder nicht schlagend - gelten jedoch als gemäßigt und weisen stolz auf Ausländer, Sozialdemokraten oder Grüne in ihren Reihen hin. Wieder andere pflegen ihren kirchlichen Hintergrund. Kirchlich orientierte Verbindungen sind im Allgemeinen nicht schlagend. Bei Verbindungen mit „unbedingter SatisfaktionW“ sollen bis 1935 sogar PistolenduelleW möglich gewesen sein[9].

Heutzutage ist etwa ein Prozent der Studenten Mitglied einer Verbindung. Im Berufsleben steigt ihre Zahl in Chefetagen und Parlamenten auffällig an. So sollen etwa 10% der männlichen Bundestagsabgeordneten Verbindungsmitglieder sein. Allerdings werden wichtige Personen des öffentlichen Lebens manchmal Ehrenmitglieder einer Verbindung, ohne vorher ordentliches Mitglied gewesen zu sein.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

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