Schwabing: Unterschied zwischen den Versionen

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Bekannteste Künstlerkneipe in der Zeit vor dem [[Erster Weltkrieg|1. Weltkrieg]] war der "[[Simplicissimus]]" in der [[Türkenstraße]], heute unter dem Namen [[Alter Simpl]] noch am selben Ort. Joachim Ringelnatz war dort der "Hausdichter". Das Café Stefanie in der [[Amalienstraße]] war ein anderer wichtiger Treff der Schwabinger Künstlerszene.  
Bekannteste Künstlerkneipe in der Zeit vor dem [[Erster Weltkrieg|1. Weltkrieg]] war der "[[Simplicissimus]]" in der [[Türkenstraße]], heute unter dem Namen [[Alter Simpl]] noch am selben Ort. Joachim Ringelnatz war dort der "Hausdichter". Das Café Stefanie in der [[Amalienstraße]] war ein anderer wichtiger Treff der Schwabinger Künstlerszene.  


[[datei:Schwabing Blick nach Osten zum [[Englischen Garten]]  (Foto: [[Karl Schillinger]], 2017)]]
Das Schwabinger Satire-Blatt [[Simplicissimus]] aus dem Albert-Langen-Verlag mit seinem Signet, der roten Bulldogge, wurde zum Symbol für beißende Kritik an politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen, [[Thomas Theodor Heine]], [[Olaf Gulbransson]], [[Bruno Paul]], [[Eduard Thöny]], [[Rudolf Wilke]] waren die berühmtesten dort tätigen Künstler. Die Kulturzeitschrift [[Jugend (Zeitschrift)|Jugend]] verlegt von Georg Hirth, gab der deutschen Variante des Art Nouveau, dem [[Jugendstil]], ihren Namen. Mit diesen beiden seit [[1896]] existierenden Zeitschriften war das München - bzw. sein Bezirk Schwabing - der [[Prinzregent]]enzeit im Zeitalter autoritärer Zensur mit Abstand der liberalste Ort Deutschlands, vor allem im Vergleich mit Berlin - auch wenn Schwabing zahlreiche Strafprozesse hervorbrachte, sei es wegen Gotteslästerung, Majestätsbeleidigung (des deutschen Kaisers) oder Abweichung von der herrschenden Sexualmoral.  
 
Das Schwabinger Satire-Blatt Simplicissimus aus dem Albert-Langen-Verlag mit seinem Signet, der roten Bulldogge, wurde zum Symbol für beißende Kritik an politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen, [[Thomas Theodor Heine]], [[Olaf Gulbransson]], [[Bruno Paul]], [[Eduard Thöny]], [[Rudolf Wilke]] waren die berühmtesten dort tätigen Künstler. Die Kulturzeitschrift [[Jugend (Zeitschrift)|Jugend]] verlegt von Georg Hirth, gab der deutschen Variante des Art Nouveau, dem [[Jugendstil]], ihren Namen. Mit diesen beiden seit [[1896]] existierenden Zeitschriften war das München - bzw. sein Bezirk Schwabing - der [[Prinzregent]]enzeit im Zeitalter autoritärer Zensur mit Abstand der liberalste Ort Deutschlands, vor allem im Vergleich mit Berlin - auch wenn Schwabing zahlreiche Strafprozesse hervorbrachte, sei es wegen Gotteslästerung, Majestätsbeleidigung (des deutschen Kaisers) oder Abweichung von der herrschenden Sexualmoral.  


Eine der berühmtesten Gestalten Schwabings war die "holsteinische Venus", die Gräfin [[Franziska zu Reventlow]] (1871–1918 - ihre Lebensdaten markieren exakt das neu errichtete deutsche Kaiserreich) aus Husum, die [[1913]] den schönen Schwabing-Roman "''Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil''" veröffentlichte. Die Schwabinger Bohème-Szene fand jedoch mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs ein abruptes Ende. Vgl. auch Joachim Ringelnatz' Autobiografie "''Mein Leben bis zum Kriege''".
Eine der berühmtesten Gestalten Schwabings war die "holsteinische Venus", die Gräfin [[Franziska zu Reventlow]] (1871–1918 - ihre Lebensdaten markieren exakt das neu errichtete deutsche Kaiserreich) aus Husum, die [[1913]] den schönen Schwabing-Roman "''Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil''" veröffentlichte. Die Schwabinger Bohème-Szene fand jedoch mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs ein abruptes Ende. Vgl. auch Joachim Ringelnatz' Autobiografie "''Mein Leben bis zum Kriege''".
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Die nach dem 2. Weltkrieg einsetzende Nostalgie-Welle, die das alte Schwabing zu verklären und zugleich kommerziell auszubeuten versuchte, machte Schwabing vor allem zum Mode-Viertel, was die Miet- und Gastronomiepreise in die Höhe trieb. In den [[1960er]] Jahren lebte und arbeitete die Münchner Künstlergruppe [[SPUR]] hier, und unter der studentischen Jugend kam es zu den so genannten "[[Schwabinger Krawalle|Schwabinger Krawallen]]" auf der [[Leopoldstraße]], der Hauptachse Schwabings. Sie waren ein erster Auftakt zur europaweiten Studentenbewegung, die sich gegen verstaubte Polit-Strukturen und wirtschaftswunderliches Geldgeprotze richtete: Ereignisse, die treu dem alten Geist in Schwabing stattfinden mussten.  
Die nach dem 2. Weltkrieg einsetzende Nostalgie-Welle, die das alte Schwabing zu verklären und zugleich kommerziell auszubeuten versuchte, machte Schwabing vor allem zum Mode-Viertel, was die Miet- und Gastronomiepreise in die Höhe trieb. In den [[1960er]] Jahren lebte und arbeitete die Münchner Künstlergruppe [[SPUR]] hier, und unter der studentischen Jugend kam es zu den so genannten "[[Schwabinger Krawalle|Schwabinger Krawallen]]" auf der [[Leopoldstraße]], der Hauptachse Schwabings. Sie waren ein erster Auftakt zur europaweiten Studentenbewegung, die sich gegen verstaubte Polit-Strukturen und wirtschaftswunderliches Geldgeprotze richtete: Ereignisse, die treu dem alten Geist in Schwabing stattfinden mussten.  


[[datei:Hausbau in Schwabing.jpg|thumb|380px|link=emp|Schwabing, Blick nach Osten zum [[Englischen Garten]]  (Foto: [[Karl Schillinger]], 2017)]]
In den letzten Jahren machen nun andere Stadtteile Münchens (etwa [[Au-Haidhausen|Haidhausen]]) und im Augenblick vor allem das [[Glockenbachviertel|Glockenbach]]- und [[Gärtnerplatzviertel]] Schwabing als Mode-Viertel den Rang streitig, auch das [[Schwanthalerhöhe|Westend]] entwickelt sich neuerdings in diese Richtung, während Schwabing mehr und mehr zum historischen Forschungsgegenstand wird.
In den letzten Jahren machen nun andere Stadtteile Münchens (etwa [[Au-Haidhausen|Haidhausen]]) und im Augenblick vor allem das [[Glockenbachviertel|Glockenbach]]- und [[Gärtnerplatzviertel]] Schwabing als Mode-Viertel den Rang streitig, auch das [[Schwanthalerhöhe|Westend]] entwickelt sich neuerdings in diese Richtung, während Schwabing mehr und mehr zum historischen Forschungsgegenstand wird.


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