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Die Überstellung Möhls als Hauptschriftleiter der München-Augsburger-Abendzeitung kam dem Pressereferenten aus zwei Gründen äußerst gelegen. Möhl als Hauptschriftleiter der Zeitung, bildete sozusagen den verlängerten Arm der Münchner Zensurbehörde und er leitete die Zeitung im Sinne des Pressereferenten. Gleichzeitig erreichte der Referent aber auch die Entfernung des einzigen Berufsjournalisten aus seinem Mitarbeiterstab, der sich dann entsprechend den Sonnenburgschen Vorstellungen vorwiegend aus Verwaltungjuristen, zumindest aber Staasbeamten zusammensetzte. Sonnenburg war somit der einzige Kopf im Referat der über detaillierte Kenntnisse in dem gesamten Pressebereich im Münchner Raum verfügte. | Die Überstellung Möhls als Hauptschriftleiter der München-Augsburger-Abendzeitung kam dem Pressereferenten aus zwei Gründen äußerst gelegen. Möhl als Hauptschriftleiter der Zeitung, bildete sozusagen den verlängerten Arm der Münchner Zensurbehörde und er leitete die Zeitung im Sinne des Pressereferenten. Gleichzeitig erreichte der Referent aber auch die Entfernung des einzigen Berufsjournalisten aus seinem Mitarbeiterstab, der sich dann entsprechend den Sonnenburgschen Vorstellungen vorwiegend aus Verwaltungjuristen, zumindest aber Staasbeamten zusammensetzte. Sonnenburg war somit der einzige Kopf im Referat der über detaillierte Kenntnisse in dem gesamten Pressebereich im Münchner Raum verfügte. | ||
== Bayerischer Verein für Frauenstimmrecht == | |||
Die Auseinandersetzung um das Frauenwahlrecht hatte im Vereinigten Königreich gewalttätige Formen angenommen ({{WL2|Prisoners (Temporary Discharge for Ill Health) Act 1913}}) trotzdem verfolgten beide Parteien während des ersten Weltkrieges eine Burgfriedenspolitik. In Bayern beschränkte sich die Burgfriedenspolitik auf national gesinnte karitative Frauenorganisationen. | |||
Die Mitgliederzahlen von Frauenvereinigungen stiegen im Ersten Weltkrieg. Ein damit verbundenes höheres politisches Gewicht beschränkte sich auf den privaten Bereich, da Frauen aus der politischen Öffentlichkeit ausgeschlossen waren. | |||
Eine Denkschrift des Pressereferates widmete dem Phänomen „Frauenbewegung“ ein Kapitel. | |||
Eine Beunruhigung und Radikalisierung der Frauenwelt würde auch für die Landesverteidigung, im Sinne der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, eine echte Gefahrenquelle darstellen. In der Denkschrift wurde zwischen den national gesinnten Frauenorganisationen, die sich auf eine rein karitative Tätigkeit beschränkten, und jenen, die präzisse politische Ziele verfolgten, unterschieden. | |||
Zu den letztgenannten gehörte der “Verein für Frauenstimmrechte“ sowie der „Bayerische Verein für Frauenstimmrecht“. Letzteren bezeichnete die Denkschrift als den gefährlichsten, weil dort die schärfste internationalistische Tonart vorherrsche. Der naheliegenden Tatsache, dass aus Kreisen der weiblichen Bevölkerung der Widerstand gegen den Krieg am ehesten laut wurde, begegnete die Behörde mit erstaunlichem Unverständnis. | |||
Der wachsende Widerspruch zwischen den sich ständig steigenden Anforderungen an die Frauenwelt und ihre weiterhin bestehende politische Rechtlosigkeit, mussten zwangsläufig zu einem Unruhefaktor werden. Naheliegend und unausbleiblich war daher auch schon die existierende Verbindung zwischen der von Ludwig Quidde geleiteten Friedensbewegung und dem Verein für Frauenstimmrecht. Gerade die politisch orientierten Frauenorganisationen boten sich als ein ideales Verwirklichungsfeld für den Gedanken des Pazifismus an. Die Verbindung der beiden Strömungen bedeutete eine weitere erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, im Sinne der Erhaltung einer einheitlichen, geschlossenen öffentlichen Meinung. | |||
Die militärische Zensur versuchte die pazifistische Strömung in der Frauenwelt mit zensurellen Mitteln zu unterbinden. | |||
Das Kriegsministerium erließ bereits am 23. November 1915 gegen die Vorsitzende des ''Münchner Vereins für Frauenstimmrecht'', {{WL2|Lida Gustava Heymann}}, das erste Auftrittsverbot.<ref>Den Anlass für das Verbot bildete das Auftreten Heymanns in einer sozialdemokratischen Frauenversammlung. Dort hatte sie zu einer gemeinsamen Friedensdemonstration aufgefordert. Schon im Januar 1915 hatte sie unter dem Titel: „Frauen Europas, wann erschallt Eurer Ruf“ ein Flugblatt verbreitet, in dem sie ebenfalls zu öffentlichen Friedensdemonstrationen aufrief. Die Zensur untersagte die weitere Verbreitung des Flugblattes. Im Mai 1915 bestellte Heymann bei der Buchdruckerei Kastner und Callwey 1050 Abzüge der ''Resolution des internationalen Frauenkongress in Den Haag''. Die Zensur stellte fest: „Die Resolutionen enthalten bei der Behandlung der Fragen „Die Frauen und der Krieg“ und der Kriegsziele, auch in der Darlegung der Grundsätze für die künftige innere und äußere Politik derartige internationalistisch verschwommene, radikale und utopische Forderungen, dass durch die Verbreitung, abgesehen von der zunächst überhaupt verbotene Behandlung der Kriegsziele, eine Gefährdung des Burgfriedens heftige polemische Auseinandersetzungen und gemeingefährliche Beunruhigung und Aufreizung der Frauenwelt zu befürchten ist.“ Nach Artikel 4 Ziffer 2 des Kriegszustandsgesetzes wurde die Verbreitung der Abdrucke verboten. Vgl. KA. Mkr. 13863, Bl. 29. </ref> | |||
Gerade gegenüber Fräulein Heymann reagierte die Behörde mit besonderer Strenge, weil sie bei dieser Dame die Verbindung zwischen pazifistischer und feministischer Bewegung realisiert sah. Am 6. März 1916 wurde ihr jede pazifistische Tätigkeit untersagt. Da sie nun mehrfach gegen die Anordnung des Ministeriums verstieß und auch Kontakte zum Ausland zu knüpfen suchte, wurde ihr am 11. Februar 1917 der Aufenthalt in Bayern untersagt. | |||
Auch gegenüber weniger radikal ausgerichteten Vertreterinnen der Frauenbewegung legte die Zensurbehörde recht strenge Maßstäbe an. So lehnte sie den Aufsatz „Kriegspsychologie vomn Standpunkt der Frau“ von Dr. {{WL2|Helene Stöcker}} ab. Die Zensur begründete ihre Entscheidung damit, dass gegen den Krieg ausgerichtete Ausführungen besonders geeignet seien, bei der weiblichen Bevölkerung missverstanden zu werden und so den Willen zum Standhalten ernstlich zu gefährden. Jeder aufkommende Widerstand gegen die aus militärischen Gründen notwendigen Maßnahmen bedeutete eine Gefährdung der Interessen der Landesverteidigung. Aufschlussreich dokumentierte die abschließende Bemerkung des Zensors das mangelnde Verständnis für die Ursachen der anwachsenden Beunruhigung in der Frauenwelt, die ihre Artikulation in den Aktivitäten der Vereine fand, Der Zensor schrieb:<ref>KA. Mkr. 13870, Bl. 118</ref> | |||
abgesehen davon ist in einer Zeit, in der das deutsche Volk um sein Dasein kämpft, die einseitige Hervorhebung weiblicher Gefühle und Interessen in öffentlichen Vorträgen doch wohl nicht am Platz, | |||
Der Zensor übersah völlig, dass mit der Heranziehung dieses Personenkreises zu Kriegsaufgaben auch konsequenterweise die Frage der politischen Gleichberechtigung akut werden musste.<ref>Vgl. Willy Albrecht: Regierung und Landtag. a.a. Ort., S. 133</ref> | |||
Auffallend zeigt sich hier die unterschiedliche Behandlung politischer Fragen durch die staatliche Behörde. Gegenüber der Sozialdemokratie galt seit Kriegsbeginn der Grundsatz, dass mit der Integrierung der Sozialdemokratie in den Staat, ihr auch zwangsläufig die politische Gleichberechtigung zugestanden werden musste. Gegenüber der Frauenbewegung wurde diese notwendige Konsequenz verkannt. | |||
Im Frühjahr 1916, am 6. März, erließ das Kriegsministerium für die Münchner Friedensvereinigung und den ''Bayerischen Verein für Frauenstimmrecht'' ein Versammlungsverbot, das sich auf öffentliche wie private Zusammenkünfte erstreckte, weil die pazifistische Werbetätigkeit ein Ausmaß angenommen hatte, das die Sicherheit nach Ansicht der Behörde gefährdete. | |||
Den Vereinen wurde jede Werbetätigkeit, die unmittelbar oder mittelbar pazifistischen Bestrebungen diente, sowie die damit verbundene schriftliche Auslandskorrespondenz verboten. <ref>Vgl. H. Lutz: Deutscher Krieg, a. a. Ort., S. 482</ref> | |||
Die Ausreise war nur mit Genehmigung der militärischen Stellen möglich. Wehrüberwachung | |||
Am gleichen Tag verhängte das Kriegsministerium noch ein persönliches Schreibverbot über Ludwig Quidde und seine Frau, Wilhelm Herzog, Lida Gutava Heymann und andere aktive Persönlichkeiten der Münchner pazifistischen Bewegung. {{WL2|Friedrich Wilhelm Foerster}} blieb von dieser Maßnahme ausgenommen. <ref>KA. Mkr. 17135,o. Bl.</ref> | |||
Vor allem versuchten die Militärbehörden, ein Übergreifen der pazifistisch-feministischen Bewegung auf die in ländlichen Gebieten tätigen Lehrerinnen zu verhindern. Auf Grund ihrer gehobenen sozialen Stellung in den kleinen Gemeinden besaßen gerade die weiblichen Angehörigen des Lehrerstandes bedeutende Einflussmöglichkeiten, die sich nicht nur auf die schulpflichtige Jugend, sondern auch auf die in Kriegszeiten vorwiegend unter weiblicher Führung stehenden Landwirtschaftlichen Betriebe erstreckten. Unumwunden wurde in der Denkschrift vom 2. November 1915 festgestellt: | |||
Ein Versagen der Frauenwelt auf dem Lande, in deren Händen heute größtenteils die Wirtschaftsführung liegt, könnte das wirtschaftliche Durchhalten des Krieges in Frage stellen, ganz abgesehen von der lähmenden Wirkung, die bei den engen Wechselbeziehungen zwischen Front und Heimat ein Nachlassen der Opferfreudigkeit der daheimgebliebenen Frauen auf die Stimmung der Truppen im Feld ausüben müsste. | |||
Das Ministerium des Inneren für Kirchen- und Schulangelegenheiten sah sich deshalb veranlasst, das weibliche Lehrpersonal in einem besonderen Schreiben vor der Gefährlichkeit des Pazifismus zu warnen. | |||
== Literatur == | == Literatur == |
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