Schwabinger Krawalle

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Die Schwabinger Krawalle ereigneten sich vom 21. bis zum 26. Juni 1962. Sie werden auch als ein erster Auftakt zur europaweiten Jugendrevolte der 1960er Jahre, verkürzt im Begriff 1968er, bezeichnet. Das ganze Geschehen war zum Teil anachronistisch: München hatte sich erst zwei Wochen zuvor nach einem Mottowettbewerb selbst zur "Weltstadt mit Herz" erklärt. Und nun verwandelte sich die Stimmung in der Stadt immer mehr in eine Mischung aus Hass, Gewalt und Misstrauen.

Ablauf

Quasi vom Ständchen zum Aufstand kam es 1962, als die Münchner Polizei fünf Teenager zur Feststellung der Personalien und Weiterem festnahm, weil sie auf der Straße russische Lieder spielten. Die Streife und schließlich die ganze Münchner Polizei hatte Zehntausende gegen sich. Auf der breiten Allee folgten Nacht auf Nacht Szenen wie aus einem Bürgerkrieg: waren es am ersten Abend vor allem protestierende Studenten, zogen schon am zweiten Tag junge Leute aus der ganzen Stadt in die abendliche Schlacht: Die "Lederjacken" und die "Weißhemden" waren darunter, auch Lehrlinge, Arbeiter und Angestellte. Fünf Tage dauerten die durchaus auf Seiten der Jugendlichen auch blutigen Interventionen zwischen Zivilisten und Uniformierten.

Als die Polizei am 26. Juni mit Doppelstreifen auf der Leopoldstraße (Rue de Galopp) patrouillierte, war die Flaniermeile plötzlich wie leergefegt. Denn die Temperaturen hatten sich zufälligerweise von 30 auf 13 Grad abgekühlt - und mit ihnen offenbar die Gemüter. Man kann sagen, dass das Wetter das beendete, was Hundertschaften nur mit Mühe herstellten, das "Chaos".

Folgen

Die Münchner Staatsanwaltschaft leitete 248 Ermittlungsverfahren ein, in den meisten Fällen wegen AufruhrW und LandfriedensbruchW. Es entstanden hohe Sachschäden. Insgesamt wurden von der Münchner Polizei etwa 400 Personen festgenommen. Einige wurden später zu geringen Geld- oder Freiheitsstrafen verurteilt. Die zahlreichen Anzeigen gegen angeblich prügelnde Polizisten blieben praktisch folgenlos. Die Münchener Polizei lernte erstmals ein neues Wort: Deeskalation

Zeitzeugenbericht Karl Schillinger

Die "Schwabinger Krawalle" begannen 1962 eigentlich durch ein Mißverständnis zwischen Musikern, Bürgern und der Polizei. Am Wedekindplatz spielten die Musikanten wirklich schöne Stücke an einem lauen Sommerabend und die anwesenden Menschen hörten sich die Melodien gerne an. Meine Oma war besonders von der Musik angetan. Aber Nachbarn störte das Konzert der drei Musikanten und so riefen sie nach der Polizei. Die wollte das Spielen von schönen Melodien verhindern und untersagte das Musizieren auf dem Wedekindplatz. Meine Oma stellte sich der Polizei entgegen und sagte: "Lassen sie die jungen Musikanten doch ihre schönen Melodien spielen."

Da nahmen die Polizisten die Dame am Arm und sagten: "Gehen sie nach Hause, auf Wiedersehen". Diese Aktion hat aber die Musiker und auch anwesende Bürger sehr gestört, weil hier eine falsche Handlung im Auge des Betrachters geschehen ist. So wollten die Leute meiner Oma helfen und begannen gegen die Abschiebung lautstark zu protestieren. Dies war der Polizei aber wiederum sehr unangenehm und so nahmen sie die drei Musiker gleich in Gewahrsam. Diese Festnahme wiederum trieb das anwesende Schwabinger Volk auf die Spitze des Widerstandes und so begann der tagelange "Schwabinger Krawall", der viele blaue Beulen und viel Risse in der Demokratie verursacht hat.

Jeden Abend kamen so mehr und mehr Leute zusammen, teilweise fuhren berufsmässige Krawallmacher bis von Düsseldorf und Hamburg nach Schwabing. Die Leopoldstraße war voll von Menschen und die Polizei drängte sie in die Seitenstrassen ab. Menschen, die in Cafes oder Eisdielen Zuflucht suchten und fanden, wurden dort dann von der Polizei mit Knüppelschlägen wieder auf die Strasse getrieben. Es war ein furchtbares Geschrei und ein grosser Tumult, weil sich die Menschen von Abend zu Abend immer mehr hochschaukelten und es war fast schon ein kleiner Bürgerkrieg.

Da ging ich dann nicht mehr hin und war froh, am Abend nach der Arbeit gesund zu Hause angekommen zu sein. Selbst im Bett, ich wohnte in der Siegesstraße, war die halbe Nacht das Gekreische und Getrampel der vor der Polizei flüchtenden Menschen zu hören.

Literatur

  • Gerhard Fürmetz (Hrsg.): Schwabinger Krawalle. Protest, Polizei und Öffentlichkeit zu Beginn der 60er Jahre. Essen 2006, ISBN 3-89861-513-8 (Rezension des Titels)
  • Hans-Jochen Vogel: Die Amtskette. Meine 12 Münchner Jahre. Ein Erlebnisbericht. München, 1972.

Weblinks

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